Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
aufgedunsenem Leib, und dennoch lebte noch etwas von der Verwegenheit in ihm, die er auf früheren Kriegszügen immer wieder unter Beweis gestellt hatte.
Auch Friedlein schien die Gefahr zu erkennen. »Haltet ein, Exzellenz! Das ist es nicht wert. Wollt Ihr wirklich Euren Kopf auf einer Lanze des von Hirschhorn sehen?«
Bischof von Brunn stieß einen Ruf des Zorns aus, brachte aber sein Pferd neben Friedlein zum Stehen. Wütend warf er das geliehene Schwert in den Schmutz.
Einer der Angreifer klappte sein Visier hoch. Ritter Hans von Hirschhorn, der Friedleins Worte offensichtlich gehört hatte, grinste breit.
»Euren Kopf will ich nicht, zumindest nicht aufgespießt. Auch wenn die Vorstellung nicht eines gewissen Reizes entbehrt. Aber nein, lebendig seid Ihr mir lieber, Exzellenz, oder soll ich besser sagen: wertvoller?«
Das Gesicht des Bischofs lief puterrot an. »Ihr habt kein Recht, mir den Weg zu verlegen und mich gefangen zu nehmen, elender Raubbube.«
»Da irrt Ihr Euch. Das Recht steht auf meiner Seite. Ich habe Euch Geld geliehen, doch weder Zins noch Rückzahlung erhalten. Wie es von alters her der Brauch ist, habe ich vor acht Tagen einen Fehdebrief nach Würzburg und auf die Burg geschickt.«
»Der Bischof hat von diesem keine Kenntnis erhalten. Vermutlich ist er noch nicht einmal eingetroffen«, widersprach Friedlein.
Ritter von Hirschhorn hob die Schultern. »Mag es sein, wie es ist. Seine Exzellenz ist jedenfalls in meinen Händen, und ich werde den Teufel tun, ihn wieder freizulassen, ehe er mir nicht jeden Gulden, den er mit schuldet, auf Heller und Pfennig zurückgezahlt hat.« Er wandte sich an zwei seiner
Gefolgsleute. »Ruft die Männer zusammen. Wir brechen auf.«
»Was ist mit den anderen?«
Ritter von Hirschhorn warf einen Blick zum Kirchhof hinüber und zuckte mit den Schultern. »Lasst sie. Es lohnt nicht, den Kampf aufzunehmen. Die Beute, auf die ich mein Auge gerichtet habe, ist in unseren Fängen; das soll genügen.«
Seine Reiter sammelten sich um den Ritter. Ein paar eskortierten die Kutsche heran, die es ebenfalls nicht zum Kirchhof geschafft hatte. Elisabeth sah das schreckensbleiche Gesicht des Kaplans im Fenster auftauchen. Der von Hirschhorn befahl dem Bischof, sich wieder in die Kutsche zu begeben. Schwerfällig ließ Johann sich vom Pferd gleiten und humpelte zu dem Gefährt, auf dessen Kutschbock nun einer der Männer des Raubritters saß. Elisabeth ließ sich von Friedlein herunterhelfen und folgte ihrem Vater. Fast war sie froh, wieder in die Kutsche zu kommen, denn der eisige Wind trieb dicke Wolken von Westen heran, die sich in einer Mischung aus Schnee und Regen entluden. Fröstelnd drückte sie sich in die Polster, als die Kutsche mit einem Ruck anfuhr.
Ihre Stimmung war ähnlich düster wie das Wetter draußen. Wo wollte der Ritter seine Gefangenen hinbringen? Was würde mit ihnen geschehen? Wie schnell konnten und wollten die Edlen und Bürger des Landes das Lösegeld aufbringen? Vielleicht waren sie ganz froh, ihren streitbaren Bischof auf so bequeme Art loszuwerden? Nein, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Sie tauschte einen Blick mit Friedlein, dem anscheinend ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
»Ich frage mich, wie der von Hirschhorn uns so schnell aufgespürt hat. Man kann wohl davon ausgehen, dass ihm Ziel und Reiseroute bekannt waren«, überlegte der Narr.
Der Bischof sah ihn aufmerksam an. »Du meinst, das war ein Racheakt dafür, dass ich den von Masbach in meinen Kerker werfen ließ?«
»Schon möglich. Ich könnte mir denken, dass ein gewisser Wertheimer auf dem Marienberg es nicht sehr eilig hat, Euch loszukaufen.«
Der Bischof setzte eine zuversichtliche Miene auf. »Ach, das lass mal meine Sorge sein. Er wird sich bemühen, glaube mir.«
»Wenn Ihr es sagt, Exzellenz«, murmelte Friedlein.
Sie fuhren über Land, bis der Tag vorüber war. Ein notdürftiges Lager wurde aufgeschlagen. Elisabeth fühlte sich völlig zerschlagen. Sie fror, und ihr Gewand war schmutzig, doch sie hatte weder eine Magd noch frisches Wasser. Ihre Kleidertruhe war irgendwo verloren gegangen. Und für die Nacht warf man ihr lediglich eine dünne Decke zu, die so klamm war, dass sie vermutlich überhaupt nicht wärmte. So konnte Elisabeth froh sein, wenigstens ihren fellgefütterten Mantel um sich wickeln zu können. Da die Männer keine Zelte mit sich führten, blieben die Gefangenen in der Kutsche, die zwar unangenehm eng war, aber wenigstens vor
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