Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
ich nach Hasfurt eilen und nach Geroldshofen? Nach Schwarzach und zum Zabelstein und jedem Gefangenen eine Decke und regelmäßig warme Mahlzeiten bringen?«
»Nein, natürlich nicht, und das wisst Ihr auch. Aber Ihr könnt den Amtmännern befehlen, die Gefangenen anständig zu behandeln und auf ihr Leben zu achten!«
»Ach, Fräulein Elisabeth. Wer glaubt Ihr, dass ich bin? Ist Euch noch nicht aufgefallen, dass ich nur der Narr des Bischofs bin, der ihn in diesen trübsinnigen Zeiten zum Lachen bringen muss – was, unter uns gesagt, schwer genug ist?«
»Ihr macht es Euch verdammt leicht!«, fauchte sie ihn an und rauschte wutentbrannt hinaus, um den Bischof aufzusuchen.
Die Männer des Bischofs ritten nun schon den zweiten Tag gen Osten, nachdem sie nach dem Ende der Belagerung noch zwei Wochen untätig in Karlstadt zugebracht hatten. Elisabeth hielt sich von ihrem Vater fern – so weit ihr das möglich war. Sie hatte ihm noch nicht verziehen, dass er wegen der Gefangenen nicht bereit war, etwas zu unternehmen. Anscheinend waren inzwischen wieder einige der Männer elendig gestorben. Und er gab auch nicht ihrer Forderung nach, sie zur Marienfestung zurückkehren zu lassen.
»Nein, das passt mir im Moment nicht. Wir müssen erst darüber reden, wie du deiner Aufgabe das nächste Mal besser gerecht wirst.«
»Meiner Aufgabe? Ich wüsste nicht, dass Ihr mir einen Auftrag mit auf den Weg gegeben hättet.«
»Offensichtlich«, war alles, was der Bischof darauf zu sagen hatte.
»Dann lasst mich wenigstens auf den Zabelstein zurückkehren«, verlangte Elisabeth. Dort hätte sie wenigstens diesen Gefangenen beistehen und dafür sorgen können, dass sie nicht an Kälte oder Hunger starben. Aber der Bischof gab nicht nach. Er bestand darauf, dass sie in seiner Nähe blieb.
»Und wohin reisen wir?«, fragte Elisabeth mürrisch, als sich die Männer seines Gefolges zum Aufbruch rüsteten. Glücklicherweise hatte sich das Wetter gebessert, und seit fast zwei Wochen war es nun zwar winterlich kalt, aber trocken.
»Ich werde mich mit Markgraf Friedrich in Hochstet treffen. Es gibt einige Misshelligkeiten wegen des Guldenzolls der Abtei Kitzingen, die ich endlich ausgeräumt haben möchte.«
»Was geht mich das an?«
»Nichts, meine Tochter. Aber ich wünsche, dass du mit mir reist; daher mach dich bereit, wir brechen bald auf.«
Der Bischof gab ihr eine fremde Magd an die Seite, die nun in einem der Karren mitfuhr, während Elisabeth auf seinen ausdrücklichen Befehl in der Kutsche des Bischofs Platz genommen hatte. Sie unterdrückte einen Seufzer. Lieber wäre sie mit den Männern geritten, als hier in diesem schaukelnden Gefährt mit ihrem Vater, dem Hofnarren und Kaplan Berthold eingesperrt zu sitzen und bei jeder Furche und jedem Stein hin- und hergeschleudert zu werden.
Die Nacht verbrachten sie in Schlüsselfeld. Elisabeth musste mit einem muffigen, unbequemen Lager vorliebnehmen, aber sie beschwerte sich nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, Pläne zu schmieden. Es bedrückte sie, dass sie noch immer nicht wusste, ob Jeanne und Gret mit dem Leben davongekommen waren und unversehrt in Würzburg weilten.
Aber was konnte sie tun? Bei Nacht ein Pferd entwenden und heimlich zum Marienberg zurückkehren? Das war keine gute Idee. Zumindest nicht alleine. Mit ihrer neuen Magd
brauchte sie allerdings nicht zu rechnen. Sie war ein rechter Hasenfuß und würde nichts ohne die Erlaubnis des Bischofs unternehmen. In Gedanken ging Elisabeth die jungen Ritter im Gefolge des Bischofs durch. War einer unter ihnen, den sie zu solch einem Abenteuer würde überreden können?
Bei den meisten lautete die Antwort eindeutig: Nein. Bei ein paar: Vielleicht. Das aber war zu wenig. Das Risiko, sie könnten sie an den Bischof verraten, war zu groß.
So brütete sie vor sich hin, als die Kutsche am anderen Tag an einem Bach entlang dem kleinen Ort Elsendorf entgegenholperte. Plötzlich hörte sie Rufe. Das Gefährt ruckte, als der Mann auf dem Bock scharf die Zügel anzog und die vier Pferde die Hufe gegen den Morast stemmten.
Es wird ja wohl nicht wieder ein Überfall sein, dachte Elisabeth sarkastisch, doch das Lächeln gefror, als sie die Männer draußen schreien hörte.
»Ein Angriff!«, rief der Bischof und riss den Wagenschlag auf. Er war schneller nach draußen geklettert, als es Elisabeth bei seinem Körperumfang für möglich gehalten hätte. Friedlein folgte ihm sogleich, während sich der Kaplan ängstlich
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