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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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damit viel Ärger einhandeln, ja, meinen Apothekerbrief der Stadt gar verlieren, falls ich einen hätte.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Meister Thomas lächelte ein wenig schief. »Ach, eigentlich ist das gar nicht so schwer zu begreifen. In früheren Zeiten, als noch der alte Medicus über die Heilung geheimnisvoller Leiden herrschte, war er auch dafür verantwortlich, die Medizin zuzubereiten und die Ingredienzien aufzutreiben. Irgendwann wurde dieser Teil abgetrennt, und der Beruf des Apothekers bildete sich heraus. Um die genaue Grenze zwischen den beiden Berufen wird jedoch seit jeher hart gerungen, denn keiner will dem anderen zu viel Einfluss und Geld zubilligen. Und so sind die Reichsstädte und Landesfürsten gezwungen, strenge Regeln für beide Berufsstände zu erlassen, um die Händel um die Befugnisse zwischen Ärzten und Apothekern zumindest einzudämmen.«
    »Und deshalb ist es Euch nur erlaubt, dem Patienten nach einem Rezept des Arztes eine Medizin zu verabreichen?«
    Meister Thomas nickte. »Genau. Ihr habt ja das große Buch in der Offizin von Meister Heinrich gesehen. Dort trägt er alle Rezepturen ein, die er aufgrund der ärztlichen Anordnungen zubereitet. So ist alles dokumentiert und kann bei Bedarf nachgeschlagen werden.«
    Sie arbeiteten noch eine Weile in stillem Einverständnis an zwei weiteren Rezepturen, die Meister Thomas in ein wenig abgewandelter Form ausprobieren wollte. Dann zeigte er Elisabeth, wie man die bei vermögenden Kunden so heiß begehrten goldenen oder silbernen Pillen herstellte.
    »Sie bestehen aus dreierlei«, erklärte er ihr, während er den zähen Teig geschickt zu Rohpillen ausformte. »Zuerst brauchen
wir die Ingredienzien in fein vermahlener Form, die die Heilung bringen sollen. Da diese meist von unangenehmem Geschmack sind, mische ich Honig oder süßen Sirup unter und etwas, das als klebriges Bindemittel dient. Dann, wenn ich die Rohpillen geformt habe – er deutete auf ein Dutzend der graubraunen, ovalen Gebilde –, erhalten sie ihren wertvollen Überzug.« Er nahm eine kleine Dose, die in etwa wie eine übergroße Nuss aussah und die man in der Mitte aufklappen konnte, streute mit einem kleinen Löffel ein wenig Goldpuder hinein und gab die Pillen hinzu. Dann schloss er den Deckel und bewegte das Behältnis behutsam auf und ab, drehte es um seine Achse und wiegte es dann wieder sanft.
    »Ein wenig Gefühl gehört schon dazu, dass die Pillen weder zerbrechen noch verkleben und am Ende mit einer gleichmäßigen Goldschicht schimmern.«
    Er klappte den Deckel auf und zeigte Elisabeth das Ergebnis.
    »Oh, sie sind wunderschön. Zu schade, um sie einfach zu schlucken. Und gegen welche Beschwerden helfen sie?«
    Meister Thomas zog eine Grimasse. »Gegen Magengrimmen und schwere Beine, gegen das Reißen der Gicht und saures Aufstoßen nach einem üppigen Mahl.«
    Elisabeth hob die Augenbrauen. »Ach ja? Das kann ich kaum glauben.«
    »So sagt es zumindest der Arzt, nach dessen Anweisung ich sie hergestellt habe«, verteidigte sich der Apotheker. »Meine Meinung dazu ist nicht gefragt.«
    »Und wie würde Eure Meinung lauten?« Elisabeth zwinkerte ihm zu.
    Er erwiderte den Blick mit einem Lächeln. »In diesem Fall würde ich Anweisungen erlassen, die dem Leidenden gar nicht gefielen.«
    »Und die lauten?«
    »Mäßigung beim Genuss von Bier und Wein und Verzicht
auf fettes Fleisch statt teurer Pillen. Heiße und kalte Bäder, Bewegung und frische Luft, wie ich es von den Ärzten der Sarazenen gelernt habe.«
    Elisabeth feixte. »Diese Therapie würde Euch nicht viel Geld einbringen. Ja, man könnte sagen, der Apotheker wäre ganz und gar überflüssig.«
    »Da stimme ich Euch zu, aber die Frage stellt sich ja gar nicht, da es mir untersagt ist, die Anweisungen der gelehrten Ärzte infrage zu stellen«, entgegnete Meister Thomas mit einem verschmitzten Lächeln.
    Elisabeth wollte etwas erwidern, als ungewöhnlicher Lärm beide aufhorchen ließ. Was war das für ein Geschrei im Hof draußen?
    Meister Thomas schloss die Dose mit den wertvollen Pillen und legte sie behutsam auf den Tisch.
    »Kommt Ihr? Das hört sich so an, als wollten wir es nicht versäumen. Man muss schließlich seine Neugier befriedigen.«
    Elisabeth warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Ob er sich etwa über sie lustig machte? Aber Meister Thomas schien ebenso darauf zu brennen, in Erfahrung zu bringen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Er reichte ihr den Arm. Gemeinsam verließen sie das

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