Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Meister Thomas sah sie ernst an und nickte verständnisvoll.
»Da hast du dir eine willige Helferin herangezogen. Gratuliere! Stellt sie sich wenigstens geschickt an?«
»Aber ja, sie ist wissbegierig und vergisst nie etwas, das ich ihr einmal erklärt habe. Ganz erstaunlich. Eure helfende Hand wird mit fehlen. Und nicht nur sie …«
Der Blick aus seinen dunkelblauen Augen irritierte Elisabeth, sodass sie den ihren rasch abwandte. Georg brach die Anspannung mit einem Lachen.
»Es wird sich eh bald alles ändern. Es geht nach Würzburg zurück, und vielleicht wird es doch noch etwas mit der großen Hofapotheke auf dem Marienberg. Warten wir es ab.«
»Ja, warten wir es ab, und genießen wir die heiligen Tage«, wiederholte Meister Thomas, ohne seine Augen von Elisabeth zu wenden.
»Und jetzt rasch zur Feuerstelle in den Saal!« Georg zog die Schultern hoch und rieb sich die eisigen Hände. Gemeinsam machten sie sich zum Palas auf, wo sie eine prasselnde Feuerstelle und der Geruch des gerade aufgetragenen Mahls erwarteten.
Während die Feiertage kamen und gingen, trübte sich nicht nur das Wetter ein. Es fiel Schnee, und der Sturmwind tobte um die Mauern des Zabelsteins. Doch auch die Stimmung des Bischofs wurde immer eisiger, und bald schon versuchte jeder eine Begegnung mit dem Hausherrn zu meiden. Georg kündigte an, sobald es milder würde, werde er abreisen.
Obgleich der Bischof zum Abwarten verdammt war, was ihm sichtlich nicht schmeckte, blieb er in diesen Wochen durchaus nicht untätig. Er diktierte unzählige Briefe und setzte Urkunden auf, sandte trotz des Winterwetters Boten zu Vasallen und ehemaligen Verbündeten und empfing, als der strenge Frost einige Tage nachließ, Vertreter diverser Adelshäuser, um sich bis tief in die Nacht mit ihnen zu besprechen.
Elisabeth konnte nur vage ahnen, was der Bischof da trieb. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie es im Detail gar nicht so genau wissen. Aus Würzburg und vom Marienberg kamen nur wenige Nachrichten, und wenn, dann meist solche, die den Bischof in noch schlimmere Laune stürzten. Die einzig gute Botschaft – aus seiner Sicht – war, dass sich eine gute Mehrheit der Domherren auf seine Seite geschlagen hatte und den Vertrag annahm, den der Wertheimer auf dem Zabelstein gesiegelt hatte.
Die Bürger Würzburgs dagegen erwiesen sich als nachtragend und wollten seine Taten gegen ihre Rechte und ihre Freiheiten nicht vergessen. Sie weigerten sich schlichtweg, dem Bischof noch einmal zu huldigen. Sie hatten dem Pfleger Albrecht Treue und Gehorsam geschworen, und dabei würden sie bleiben.
»Das verstehe ich nicht«, meinte Elisabeth mit einem Kopfschütteln. Sie hatte sich ihren pelzgefütterten Umhang übergeworfen und war auf die Plattform des Bergfrieds hinaufgestiegen. Dort stieß sie auf Friedlein. Nun standen sie nebeneinander an der Wehr und sahen über die Weite des winterlich verschneiten Landes. Heute war der eisige Wind eingeschlafen, und die Sonne sandte eine Ahnung von Wärme mit ihren Strahlen herab.
»Was versteht Ihr nicht, Fräulein? Darf ich Euch mein unendliches Wissen zur Verfügung stellen und Euch mit meiner Erfahrung behilflich sein?« Der Narr feixte.
Elisabeth lächelte ihn an. »Ihr dürft. Hat Euch schon einmal jemand gesagt, dass Ihr nicht an Bescheidenheit leidet? Aber das ist nicht das Thema. Ich frage mich, wie es meinem Vater gelingen konnte, mehr als die Hälfte der Domherren wieder auf seine Seite zu ziehen. Ich habe gehört, nicht nur der von Grumbach hat sich umbesonnen, auch die Domherren von der Kehre, Voit, von Thunfeld und Schot.«
Friedlein ergänzte: »Domherr Truchsess, die beiden von
Siech, Hiltmar, von Hain, Uebel und von Seldeneck – habe ich jemand vergessen? Ach ja, Anton Dienstmann.«
»So viele?« Elisabeth schüttelte den Kopf. »Sind das nicht dieselben Männer, die ihn zwangen, der Politik zu entsagen?« Der Narr nickte.
»Woher also dieser Sinneswandel? An der schlechten Politik des Pflegers kann es nicht liegen. Natürlich ist es ihm nicht möglich, Wunder zu vollbringen in einem Land, das über und über verschuldet und verpfändet ist und mit beinahe jedem Nachbarn in Fehde liegt. Aber ich habe gehört, er habe in der kurzen Zeit schon viel erreicht.«
»Was den kleinen Mann vielleicht freut, obwohl der noch dringender darauf wartet, dass seine drückende Steuerlast kleiner wird und die Fehden beendet werden. Die Straßen müssen für die Kaufleute sicher sein. All das kann auch ein
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