Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
am Stand eines Flecksieders und essen abends meist nur ein Stück Brot, etwas Käse oder Speck. Meine Wirtschafterin weigert sich, für uns zu kochen. Außerdem hat Thomas die Küche in Beschlag genommen.«
»Wir könnten nachsehen, was die Garküchen in der Domstraße noch zu bieten haben«, schlug Thomas vor.
»Habt Ihr denn gar nichts Essbares im Haus?«, erkundigte sich Gret.
»Doch, schon«, meinte Georg.
»Gut, dann werde ich mir mal ansehen, ob ich etwas damit anfangen kann, wenn es dem gnädigen Herrn recht ist.« Sie sah ihn mit einem herausfordernden Blick an.
Georg schaute erst verdutzt drein, dann grinste er. »Feuerschopf, du gefällst mir immer besser. Ja, lass dir von Thomas
die Küche zeigen, und sieh nach, ob du uns etwas auf den Tisch bringen kannst. Und ich gehe rasch zur Domstraße und sehe zu, dass ich noch ein gutes Stück warmes Fleisch bekomme.«
Eine Stunde später saßen sie zusammen um den Tisch in der kleinen Stube. Jeanne hatte eingeheizt, Thomas unter Grets strengem Blick wenigstens die Hälfte der Küche geräumt, sodass sie genug Platz zum Kochen hatte, ohne befürchten zu müssen, »dass irgendein Giftfläschchen in meinen Teig fällt oder mir bittere Kräuter die Suppe verderben«, wie sie streng sagte. Meister Thomas andererseits blieb eine ganze Weile in der Küche und beobachtete sie scharf, ob sie auch seinen wertvollen Gerätschaften und Tinkturen nicht zu nahe kam oder gar etwas Unersetzliches umstieß und verdarb. Doch als er sah, wie umsichtig Gret in der Küche hantierte, zog er sich beruhigt in die Stube zurück und wartete auf Elisabeth, die sich vom Reiseschmutz befreite und bald schon in einem einfachen, aber frischen Kleid in die Stube zurückkehrte. Georg ergatterte ein schönes Stück gebratenes Fleisch und einige Wecken, und Gret gelang es in der kurzen Zeit, eine würzige Zwiebelsuppe mit viel Speck zu kochen und einige Küchlein mit Honig und Äpfeln in heißem Schmalz auszubacken. Im Schein einer Lampe saßen sie um den Tisch. Georg forderte die beiden Mägde auf, sich zu ihnen zu setzen, und schon bald verloren Jeanne und Gret ihre Scheu, zusammen mit der Herrschaft zu speisen.
»Bei uns essen normalerweise auch Thomas’ Leibdiener Gottbert und mein treuer Sebastian mit uns, wenn sie im Haus sind. Wir sind eine Familie«, argumentierte er.
Vor allem Gret schien dies nicht schlecht zu gefallen, und sie war Georg gegenüber um keine Antwort verlegen. Elisabeth beobachtete dies mit Freude, aber auch ein wenig mit Sorge. Sie wollte nicht, dass die Freundin in ihrem Bruder Begehrlichkeiten weckte, die sie nachher nicht erfüllen mochte.
Sie würde es ihrem Bruder später deutlich sagen müssen. Sie würde es nicht dulden, dass er sich ihrer Magd mit unzüchtigem Anliegen näherte! Elisabeth beobachtete ihn aufmerksam. Bisher schien er lediglich Vergnügen an Grets Schlagfertigkeit zu empfinden.
Auch Jeanne taute langsam auf, als Georg nach dem Essen die Becher mit Wein füllte. Vielleicht, weil sie es nicht gewohnt war, so viel Wein zu trinken, oder auch weil ihre kleine Runde etwas bäuerlich Familiäres hatte, ganz anders als die Gastmähler in der Halle von Burg Zabelstein oder gar auf der Marienfestung. Später, als Gret das Geschirr abgeräumt hatte und Jeanne noch einmal den Ofen nachfeuerte, kam Meister Thomas plötzlich mit einer Laute in die Stube und sang einige Balladen. Die drei Frauen lauschten verzückt. Georg lachte vergnügt und hob den Becher.
»Unser Herr Apotheker macht sich gut als fahrender Sänger. Also, wenn es mal mit der Giftmischerei nicht mehr geht, solltest du auf diese Weise versuchen, dein Geld zu verdienen.«
Auch Elisabeth lobte seine Gesangskunst. »Ihr habt eine schöne, volle Stimme. Es macht Freude, Euch zu lauschen!« Meister Thomas verneigte sich.
Georg dagegen warf in gespielter Eifersucht ein: »Ich kann das nicht ertragen, dass du das gesamte Lob der Frauen in deinen Beutel steckst. Komm, lass uns die Ballade vom schlauen Hussit singen. Ich übernehme den ersten Part.«
Meister Thomas schlug in die Saiten. Als er nickte, sprang Georg von seinem Stuhl auf, breitete die Arme aus und begann mit dramatischer Geste zu singen. Die zweite Strophe übernahm Thomas.
Es war ein freches Bänkellied, das hart mit dem deutschen König und seinem Heer ins Gericht ging – nicht so sehr, weil sie sich gen Böhmen aufgemacht hatten, den wahren Glauben zu verteidigen und die Hussiten zu bekämpfen, umso mehr jedoch,
weil sie
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