Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
schließlich sei der Grund für diesen Übergriff darin zu suchen, dass er sich bereits zu Beginn seiner Amtszeit fünfzehntausend Gulden geliehen und – trotz vielfältiger Mahnung seitens des Ritters von Hirschhorn – niemals Zins oder gar Tilgung geleistet habe.«
»Und? Wie hat mein Vater beschieden?«, wollte Elisabeth wissen.
Friedlein hob die Schultern. »Er hat kein Geld für so etwas. Er muss zusehen, dass er sich selbst und seine Domherren bei Laune hält. Natürlich wird er nichts bezahlen. Die Priester müssen schon zusehen, dass sie sich mit ihrem eigenen Vermögen auslösen.« Elisabeth fühlte einen Kloß im Hals.
»Doch wir waren bei den Domherren«, führte Friedlein das Gespräch auf den ursprünglichen Punkt zurück. »Sie sind inzwischen so verfeindet, dass einige der Herren gar um ihre Sicherheit fürchten. Dabei haben sie weniger Angst vor ihresgleichen als vor den Würzburger Bürgern, die ihnen diesen Verrat – wie sie es nennen – übelnehmen. So hat die Partei von Brunn den Dom samt ihrer prächtigen Höfe in Würzburg verlassen und ist nach Ochsenfurt gezogen, in der Hoffnung, die Bürger dort noch so wohlerzogen vorzufinden, wie man es von einem Untertanen erwarten darf.« Er zeigte wieder das schiefe Lächeln, das den Spott geradezu sprühen ließ. »Außerdem haben die von-Brunn-Anhänger in ihrem Exil beschlossen, den unbequemen Dechanten abzuwählen und einen neuen zu bestimmen. Domherr Martin Truchseß. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass der von Masbach sich weiterhin als der rechtmäßige Dechant sieht und von Pfleger von Wertheim darin unterstützt wird.« Friedlein zuckte mit den Achseln.
»Wir hatten Päpste und Gegenpäpste. Warum in Würzburg nicht auch einen Dechanten und einen Gegendechanten? Ist das nicht die Würze der Politik?«
»Würze zum Schaden aller im Land, das so dringend der Einigkeit bedarf, um aus der schweren Lage herauszufinden«, entgegnete Elisabeth ärgerlich. Sie war an den Sekretär getreten und warf nun einen Blick auf das Schreiben, das Friedlein offensichtlich gerade beenden wollte, als sie ihn durch ihren Besuch gestört hatte. Elisabeth stutzte, beugte sich herab und las noch einmal, was ihr eben aufgestoßen war.
»Das ist nicht für Eure Augen bestimmt, Fräulein! So etwas tut man nicht«, sagte der Narr in tadelndem Ton, unternahm aber nichts, das Schreiben ihrem Blick zu entreißen.
»Was soll denn das bedeuten?«, rief Elisabeth empört und sah ihn anklagend an.
»Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Bischof von Brunn untersagt es dem Landvolk unter Androhung des Kirchenbanns und einhundert Gulden Strafe, der Stadt Würzburg und ihren Bürgern die fälligen Zinsen, Zehnten und Gülten zu bezahlen.«
»Das habe ich wohl verstanden, doch wie kommt mein Vater dazu, so ein Schreiben aufsetzen zu lassen?«
»Ganz einfach. Irgendwie muss er seine störrische Stadt doch dazu zwingen, ihm wieder zu huldigen, statt zäh und bösartig darauf zu beharren, nur dem Pfleger im Eid zu stehen.« Er grinste. Elisabeth dagegen schüttelte fassungslos den Kopf.
»Ich glaube es einfach nicht. Wie kann er so etwas machen? Das Unrecht schreit aus jedem dieser Worte!«
Friedlein schüttelte den Kopf. »Ihr werdet Magenschmerzen bekommen, wenn Ihr Euch die Politik zu sehr zu Herzen nehmt, lasst es Euch gesagt sein, Fräulein. Ich habe mich früher in meiner Jugend auch ereifert, und es ist mir nicht bekommen. Nehmt es leicht, und seht das Lächerliche in dem Ganzen.«
»Ich kann nichts Lächerliches daran finden, wenn Unschuldige gefangen genommen und geschätzt werden oder wenn Bürger unter der Last der Steuern und Abgaben zusammenbrechen und nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder satt bekommen sollen.«
Der Narr seufzte und sah sie ernst an. »Ja, und dennoch werden weder ich noch Ihr etwas daran ändern können. Entscheidet selbst, ob Ihr Euch quälen wollt – ohne einen Nutzen für die, die leiden – oder ob Ihr Eure Augen verschließt zum Nutzen Eurer eigenen Seelenruhe.«
»Ihr macht es Euch zu einfach, Friedlein. Ihr könntet Einfluss auf den Bischof nehmen. Ihr seid sein Berater, auf den er hört! Dann würde es sich zum Guten wenden.«
Der Narr blinzelte sie überrascht an. »Glaubt Ihr gar den Unsinn, der aus Eurem Mund herauskommt? Ich und Einfluss? Ich bin nur sein Possenreißer. Der Bischof hat von jeher seinen eigenen Kopf gehabt. Nein, ladet das nicht auf mir ab. Wenn Ihr so wild entschlossen seid, die Welt zu verbessern,
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