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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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schon immer alles ganz genau wissen. Wollt Ihr wieder mit mir auf die Mauern steigen wie bei der letzten großen Belagerung, Lisa?«
    Elisabeth hielt den Atem an. War das eine Drohung? Wollte er ihre Identitäten preisgeben? Nein, er erlaubte sich einfach, sie zu necken, und machte sich einen Spaß daraus, ihr zu zeigen, dass er ganz genau Bescheid wusste.
    »Es freut mich, auch Gret und Jeanne in so prächtiger Verfassung wiederzusehen. Das Leben an Eurer Seite scheint ihnen zu bekommen. Was für ein ungewöhnlicher Weg. Wie oft führt das Schicksal bergab, und wie selten kann man einen Aufstieg auf dem Lebensweg erkennen. Die Eselswirtin wird es freuen, das von ihren Schützlingen zu hören.«
    Elisabeth zog eine Grimasse. »Das glaube ich nicht. Vielleicht ist es besser, Gret und Jeanne dort nicht mehr zu erwähnen.«
    Der Henker ließ den Blick über die beiden ehemaligen Dirnen des städtischen Frauenhauses schweifen. »Warum nicht? Meint Ihr, Else gönnt ihnen ihr Glück nicht, das so unerwartet ihr Schicksal gewandelt hat? Dann tut Ihr der Wirtin unrecht. Das Leben hat ihr eine harte Schale und eine noch härtere Hand gegeben, doch sie hat sich ein gutes Herz bewahrt.«
    Elisabeth wiegte zweifelnd den Kopf. »Dennoch steht Else stets ihr eigenes Wohl an erster Stelle.«
    »Wollt Ihr es ihr verdenken? Je tiefer man fällt, desto härter ist der Kampf ums Überleben. Da ist nicht viel Platz für Wohltaten. Und viele verlieren gar ihre Wohlanständigkeit.«
    »Mag sein, doch sagt mir lieber: Wie geht es den anderen?«
    Der Henker hob die Schultern. »Wie sagt man so schön? Entsprechend ihrer Lebensumstände. Sie können nicht groß klagen, haben aber auch keinen Anlass, Freudensprünge zu wagen. Die Tage und Nächte gehen stets in gleicher Weise ihren Gang, während die Frauen älter werden und ein wenig müde. Sie haben übrigens Zuwachs bekommen. Zwei Schwestern, die ein langer steiniger Weg über die Landstraße trieb, bis sie vor Elses Tür strandeten …«
    »… wo die Eselswirtin sich gerne ihrer annahm und wo sie nun ihre Schulden bei ihr abarbeiten dürfen«, ergänzte Elisabeth.
    »Urteilt nicht zu hart. Wir alle sind an unseren Platz gestellt und müssen ihn, solange wir auf der Erde weilen, so gut ausfüllen wie nur möglich.«
    »Es kommt mir vor, als hätte ich so etwas Ähnliches schon einmal zu hören bekommen«, sagte Elisabeth und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bitter klang. Es war der Henker, der das Thema wechselte.
    »Aber Ihr seid nicht gekommen, um über alte Zeiten zu plaudern. Ihr wolltet hören, was sich heute Nacht zugetragen hat.« Nun rückten auch Gret und Jeanne näher, ohne jedoch
ihre Aufmerksamkeit zu offensichtlich auf den Henker zu richten.
    »Den Scharwächtern, die heute Nacht ihre Runden durch Würzburg drehten, fielen ein paar Männer auf, die sich weit nach Mitternacht in der Nähe der Holzpforte aufhielten. Es war vermutlich unser aller Glück, dass heute in diesem Abschnitt zwei langgediente Männer unterwegs waren, die den größten Teil der Bewohner des Cresserviertels kennen. Diese nächtlichen Gestalten waren ihnen allerdings unbekannt, und so beschlossen sie, ihnen zu folgen und zu sehen, was sie im Schilde führten. Dass es nichts Gutes sein konnte, war ihnen sofort klar.«
    Elisabeth verstand. »Das heranziehende Heer hatte Komplizen in der Stadt. So dachten sie, ohne schweres Gerät oder eine zermürbende Belagerung nach Würzburg gelangen zu können. Sie wollten also die Holzpforte öffnen, da diese nicht wie die Tore bewacht wird, um die Bewaffneten in die Stadt zu lassen.«
    Der Henker nickte. »Ja, so war wohl der Plan. Wobei sie sicher nicht das gesamte Heer über diesen Weg herangeführt hätten. Es wäre wohl selbst in der Nacht nicht verborgen geblieben, wenn sie dort Hunderte Männer in Rüstung und Waffen und womöglich mit ihren Rössern auf dem schmalen Uferstreifen am Fuß der Stadtmauer entlanggeführt hätten, um dann durch die Pforte zu dringen. Nein, was ich bei einer ersten Befragung herausbekommen habe: Es sollte nur eine Gruppe von zwei Dutzend Männern, die gelernt haben, schnell und lautlos zu töten, in die Stadt gelassen werden, um dann an zwei Stellen gleichzeitig die Wächter der Tore zu überwältigen und das Hauptheer durch diese Tore in der Sandervorstadt und am Bürgerspital einzulassen. Die äußere Mauer zu überwinden und auf den Rennweg zu gelangen ist schließlich ein Kinderspiel. Die Mauer ist seit Langem

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