Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
Würzburg brauchen würde?«
    Elisabeth verdrehte die Augen. »Man muss stets auf alles gefasst sein. Jedenfalls nützen uns diese Dinge im Augenblick nichts, denn es ist unmöglich, einen Boten auf die Festung hinaufzuschicken, um sie für dich zu holen. Bleibt dir also nur die Bitte, dir aus den Beständen der Stadt etwas zu geben, damit du nicht mit leeren Händen auf der Mauer stehst.«
    Georg nickte widerstrebend. »So ist es. Ich werde mich gleich nach der Mittagssuppe auf den Weg machen. Und du, Sebastian, gehst mit mir. Du kannst dir auch gleich ein Lederwams aushändigen lassen und mich bei meiner Wacht heute Nacht begleiten.«
    Sebastian nickte bedächtig mit dem Kopf. »Das wird nicht nötig sein, Herr, aber einen Spieß könnte ich mir geben lassen. So etwas nenne ich nicht mein Eigen. Es ist viel zu unhandlich auf unseren Reisen. Mehr brauche ich nicht. Mein Schwert, den Knüppel mit den eisernen Spitzen und mein Kettenhemd habe ich stets bei mir. Ich kann es sofort holen.«
    »Ja, tu das«, entschied Georg und sah ein wenig beschämt drein. Um den peinlichen Moment zu überspielen, fragte er seinen Freund, den Apotheker, ob nicht auch er zum Wachdienst berufen worden sei. Meister Thomas verneinte.
    »Ich bin nur ein Durchreisender in dieser Stadt, der in deinem Haus Quartier genommen hat. Aber einer der Ratsherren hat mich angesprochen, ob ich nicht mit Meister Heinrich zusammen
einen Vorrat an schmerzstillenden Mitteln und Salben gegen Wundbrand herstellen könnte. Der Rat schlägt vor, dass in diesen Kriegszeiten die Bader und Chirurgen sich mit den Ärzten und Apothekern abstimmen und zusammenarbeiten. Ein ungewöhnlicher Vorschlag, gewiss, doch ich halte ihn für sinnvoll und gut. Ob sich die Ärzte der Stadt allerdings herablassen, sich mit einfachen Badern abzugeben, wage ich zu bezweifeln. Außerdem geht wohl in dieser Stunde einer der Ratsherren von einem Ordenshaus zum anderen und fordert die Klosterbrüder und -schwestern auf, Krankenkammern bereitzuhalten und sich darauf vorzubereiten, Verletzte bei sich aufzunehmen und zu versorgen.«
    Elisabeth nickte anerkennend. »Unser Bürgermeister Bernheim scheint ein fähiger Mann zu sein. Wie gut, in solchen Zeiten einen Mann mit Weitblick an der Spitze des Rats zu wissen.«
    Thomas grinste schief. »Nun ja, er soll ein fähiger Mann sein. Der Vorschlag mit den Ärzten und Klöstern stammt jedoch  – wie ich gehört habe – aus dem Mund des Henkers.«
    Elisabeth nickte. Ja, das konnte sie sich von Meister Thürner gut vorstellen.
    Und so zogen Georg und Sebastian am Abend los, um die Nacht über auf einem Mauerabschnitt am Mainufer zu patrouillieren und den anderen Bürgern und Bewohnern Würzburgs das Gefühl zu geben, sicher schlafen zu können.
     
    Die nächsten beiden Tage ereignete sich nicht viel. Außer dass sich Elisabeth darüber wunderte, wie schnell sich die Menschen in außergewöhnliche Umstände fügten. Zwar schwebte über der Stadt nach wie vor eine Anspannung, die normalerweise nicht zu spüren war, doch bereits am zweiten Tag der Belagerung begannen die Handwerker und Krämer wieder ihrer Arbeit nachzugehen – die Wirte hatten ihre Gaststuben und Weinschänken bereits am Mittag zuvor wieder
geöffnet. Um die Mittagszeit und am Abend versammelten sich die Menschen vor dem Rathaus und auf dem Domplatz, um zu hören, ob der Bürgermeister oder der Dechant etwas zu sagen hatten. Seit Dompropst von Grumbach mit seinen Anhängern nach Ochsenfurt gegangen war, konnte man Reichard von Masbach als den ersten Mann des Kapitels ansehen, obwohl die abtrünnigen Domherren ihn von Ochsenfurt aus abgewählt hatten. In ihren Augen waren die Domherren, die in Würzburg zurückgeblieben waren und an ihrem Pfleger von Wertheim festhielten, die störrischen Abweichler. Jedenfalls standen die Würzburger hinter ihrem rechtmäßig gewählten Dechanten von Masbach.
    Viel Neues gab es nicht zu berichten. Das Heer lagerte vor der Stadt, die Tore blieben geschlossen, und die Mauern und Türme wurden stets doppelt besetzt. Die Bewohner der spärlich zwischen den Gärten verteilten Häuser zu beiden Seiten des Rennwegs waren schon beim ersten Läuten in die Stadt geflüchtet. Sie wussten, dass die baufällige äußere Mauer nicht viel Schutz bot und im Falle eines Angriffs nicht zu halten sein würde. Der Zwingerausbau, der seit einigen Jahren im Gang war, hatte diesen Abschnitt noch nicht erreicht. Und der Entschluss des Rats, eine Mittelmauer zu

Weitere Kostenlose Bücher