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Das Archiv

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Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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sie zog ihre Jacke aus und warf sie auf einen Sessel. Dann schepperten Gläser, und ein Flaschenkork machte leise »plob«, diskret und beruhigend. »Morgen geh ich zum Schrebergarten«, dachte Bill. »Heute noch«, denn der Tag war schon angebrochen.
    Ob er einen Namen habe, wollte das Mädchen wissen. Er sagte »Bill« und trank einen großen Schluck. »Rum«, hustete er und wurde verbessert: »Bacardi«. Sie rauchten, und Bill dachte wieder an Rossmaneks Schrebergarten. Er trank gierig und schnell, die Augen gewöhnten sich bald an die Dunkelheit. Das Mädchen saß dicht neben ihm, er konnte sie riechen. »Du solltest deine Hose ausziehen«, sagte er. »Das Ding ärgert mich schon den ganzen Abend.« Christa war dagegen. Sie hatte die Tür nicht abgesperrt, und es könnte ja noch jemand kommen. Der Gedanke an einen weiteren verspäteten Gast, der sie »unten ohne« überraschte, mußte Christa erheitern, er hörte sie kichern. Der Bacardi rann ihm warm durch die Kehle, der Schrebergarten wurde verschwommener. »Dann sperr doch zu«, sagte er, »sonst kriegst du wirklich Ärger mit der Polizei.« Es war vier Uhr früh, als sie das Lokal verließen; es regnete leicht. Bill genoß die kühlen Tropfen auf seiner heißen Stirn, Christa setzte ein Kopftuch auf. Sie gingen langsam, plötzlich blieb sie stehen. »Hier wohne ich«, sagte sie. Bill sah ein altes Haus, große Fenster und ein großes Haustor. »Schlaf gut, Mädchen«, sagte er.
    Sie hatte sich eingehängt und zog jetzt ihren Arm weg. »Sieht man den Herrn wieder?« Er sah sie an. Wie jung sie war. »Natürlich, Christi«, sagte er. »Schlaf jetzt gut. Bis heut’ abend.«
    Er mußte acht oder zehn Stunden geschlafen haben wie tot. Das Läuten des Telefons hatte ihn geweckt, und wieder war dieses feindliche »Klick« in der Leitung, als er abhob. Mühsam kamen die Erinnerungen an den Vortag. Da war die Sache mit Rossmaneks Schrebergarten, und dann war da noch etwas, was war das doch gleich. Richtig, dieses Barmädchen Christa. Er wollte sich anziehen und erst einmal zu diesem Schrebergarten fahren.
    Doch alles kam anders. Er stand gerade unter der Dusche, als das Telefon wieder klingelte. Diesmal war es Hammerlang, der ihn dringend sprechen wollte, so in einer Stunde etwa.
    Warum Hammerlang es so dringend gemacht hatte, war Bill selbst nach dem Gespräch nicht verständlich. Der Polizeirat hatte hoffnungsfroh eröffnet, daß nun die Identität des Toten im Kofferraum festgestellt sei: ein gewisser John oder Johann Berger, dessen Fingerabdrücke man 1973 sichergestellt hatte. Dieser John Berger, ein Australier deutscher Abstammung, achtundvierzig Jahre alt, sei unter verschiedenen Namen wegen Mordes von der Interpol gesucht worden. Die Fahndung könne jetzt von der Polizeidirektion Wien nach einwandfreier Feststellung seines Todes eingestellt werden. Der Polizeirat war erfreut, Bill aber war ratlos. Der Name sagte ihm nichts, und die einzige Beruhigung, die es ihm brachte, war, daß sein Freund Herbert also keinen Heiligen erschossen hatte. Das sagte Bill auch zum Polizeirat.
    Ein Heiliger sei dieser John Berger sicherlich nicht gewesen, hatte Hammerlang zugestimmt. Es handle sich bei ihm um den sogenannten »Sprechpuppenmörder«, der 1973 drei Araber in einem privaten Rachefeldzug getötet habe. Drei internationale Terroristen, auch keine Heiligen. Bill müßte doch davon gelesen haben, die Weltpresse habe darüber berichtet. Bill wußte nichts, in Brooklyn hatte er nur die Lokalnachrichten gelesen, der Polizeirat war wieder unwillig.
    Ob ihm die Namen Oflazian oder Offenbach etwas sagten? Gar nichts, hatte Bill nie gehört. In Verbindung mit dem Namen Rossmanek. Bill sollte genau nachdenken, so wollte es der Polizeirat.
    Da half kein Nachdenken. Bill war nahe daran, seine Erkenntnisse über den Schrebergarten Rossmaneks preiszugeben, unterließ es aber. Das war seine Sache, und vorerst wollte er selbst einmal dort nachsehen, wie es Herberts letztem Wunsch entsprach. Später konnte er Hammerlang die Geschichte immer noch erzählen. Bill erfuhr nun vom Polizeirat, daß der erschossene John Berger für diesen Oflazian nachrichtendienstlich gearbeitet hatte. Oflazian, ein Armenier, der zuletzt in Beirut eine Art selbständige Geheimdienstorganisation leitete, war vor zwei Jahren gestorben, und seinen Laden hatte vermutlich dieser John Berger weitergeführt. Während des zweiten Weltkrieges, so wußte der Polizeirat, war Oflazian Obersturmbannführer beim

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