Das Areal: Thriller (German Edition)
Einsatzzentrum.«
»G enau dahin will ich auch. Es liegt im Areal.« Bei dem Wort krampften sich Kate die Eingeweide zusammen. Die Cops mieden das Areal. Knightly wirkte kein bisschen beunruhigt. Er sagte: »S ie wollen wissen, in welcher Beziehung die Opfer zur Firma stehen, deshalb werde ich Ihnen zeigen, was wir wissen, nicht aber die Cops. Schalten Sie den Laptop ein und suchen Sie im Hauptverzeichnis nach einer verschlüsselten Datei. Das Passwort lautet ›Rettungsboot‹. Wir kennen noch mehr Leute, auf die er es abgesehen hat. Und wir wissen, wer die Bestie ist.«
7
H arrys Wagen war ein zwei Jahre alter BMW . Er roch nach Desinfektionsmittel, und Turner zog vorsorglich Handschuhe an, bevor er losfuhr. Über den orangefarben erhellten Hafenbogen in gemächlichem Tempo landeinwärts fahrend fragte er sich, weshalb Harry den Wagen loswerden wollte. Mit einem Auge hielt er nach den Cops Ausschau, um gewappnet zu sein, falls sie auf den BMW aufmerksam werden sollten. Auf dem Wilder Turnpike sah er in der Ferne das Areal, ein trüb erhelltes Loch im mitternächtlichen Gefunkel von Newport City, eine peinliche Wunde, die man eher vergessen als heilen würde.
Newport besaß nur die fünftgrößte Fläche von allen nordamerikanischen Städten, lebte vom Tourismus, von altem Geld und neuen Finanzdienstleistern in blitzblanken Büros. Die Grundstückspreise waren so hoch, dass die Bevölkerung schrumpfte. Die Mittelklasse-Kids gingen fort, weil sie es sich nicht leisten konnten, in ihrer Heimatstadt zu wohnen. Reiche Kids brauchten nicht fortzugehen, und den armen fehlte das nötige Kleingeld. Die gesellschaftliche Kluft wurde immer größer, und wer ihr nicht ausweichen konnte, stürzte hinein. In Newport lagen vier der zehn heruntergekommensten Wohnprojekte des Landes, mehr als in L. A., New York oder jeder anderen amerikanischen Stadt. Turner kannte sich aus, denn er hatte in mehreren dieser Gegenden zu tun gehabt, genau wie in den verrammelten Ghettos und der Penthouse-Subkultur der Superreichen. Er konnte nicht sagen, was er bedrückender fand.
Das Keating-Areal stand nicht auf der Top-Ten-Liste, hatte es nie getan. Das Areal war Newports schmutziges kleines Geheimnis. Ein Albtraum, der der Stadtplanung der Fünfziger entsprungen war. Ein Gebiet mit einer Fläche von einer Quadratmeile, das man den Sümpfen abgerungen hatte, auf denen zu Anfang der Großteil der Stadt errichtet worden war, bis man die Bauten bei den ersten auftretenden Problemen wieder aufgegeben und dem Verfall preisgegeben hatte. Tausende arme Familien wurden in mit minderwertigem Beton hochgezogene Wohntürme gepfercht, die durch den Tissky und den Murdoch River vom Rest der Stadt abgeschnitten waren. Viele der im ursprünglichen Bebauungsplan vorgesehenen Einrichtungen – Schulen, ein Krankenhaus, Läden und Parks – waren nie gebaut worden, und der Rest war schon nach kurzer Zeit reparaturbedürftig gewesen. Die Lokalpolitiker waren nicht bereit, auch nur einen Penny aus ihrem immer knapper werdenden Budget für eine Gegend lockerzumachen, die von Junkies, Kriminellen und psychisch Kranken bewohnt wurde, berüchtigt war für ihre schlechte Wahlbeteiligung und keine Lobby hatte, die sich für sie einsetzte. Je schlimmer die Zustände wurden, desto sinnloser erschien es, dort Geld zu investieren.
Turner erinnerte sich an einen Bericht über die Sharp-Unruhen, der vor über zehn Jahren im Fernsehen gelaufen war; seitdem hatte man vor jeder Wahl Investitionen und urbane Erneuerungsmaßnahmen im Areal in Aussicht gestellt. Wenn die Haushaltspläne beschlossen wurden, war davon nicht mehr die Rede. Niemand wollte ein so großes, langfristiges Projekt angehen, das von vornherein zum Scheitern verurteilt schien. Die Versprechungen waren Beleg dafür, dass die Politiker sich kümmerten, und das reichte. Die Verbrechensrate war niedriger als in Vierteln wie Craybank oder West Broadwell, jedoch nur deshalb, weil im Areal kaum noch jemand Anzeige erstattete. Die Polizei, vorausgesetzt, sie konnte über die Zuständigkeit Einigung erzielen – da es regelmäßig zu Kompetenzgerangel mit dem angrenzenden Tawmouth kam, fühlte sich bisweilen gar kein Police Department zuständig –, betrachtete das Areal als feindliches Gebiet. In den seltenen Fällen, da sich überhaupt jemand zu Ermittlungen aufraffte, waren sie so gut wie nie von Erfolg gekrönt. Das Gesundheitswesen war in desolatem Zustand. Bei seiner letzten Unterhaltung mit Charlie hatte
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