Das Areal: Thriller (German Edition)
Allein im Dunkeln meinte sie bisweilen, leise Geräusche zu hören. Das Rauschen von Wasser oder das Trippeln der Ratten, die durch das unterirdische Labyrinth huschten.
Die Tür war der einzige Ausgang. Ketten und Vorhängeschloss waren neueren Datums, die Gitterstäbe hingegen waren verrostet und würden sich unter hohem Kraftaufwand vielleicht verbiegen lassen. Die Befestigungen der Scharniere waren im gleichen Zustand, und es war denkbar, dass der Beton so porös war, dass sie sich lockern ließen. Das Problem war der dabei entstehende Lärm. Kate konnte es nur dann versuchen, wenn Bayle nicht in der Nähe war, und sie wusste, sie hätte nur einen Versuch. Dazu musste sie hellwach sein und kräftiger, als sie sich fühlte.
Sie klammerte sich an die Hoffnung, dass Bayle ihrer Unterhaltungen nicht überdrüssig wurde, ehe sich ihr eine Fluchtgelegenheit bot.
»J etzt müssen sie bezahlen«, hatte er gesagt. »I ch wurde als Vollstrecker auserwählt. Erst die unmittelbar Beteiligten, dann bis hinauf zum Erschaffer. Bis zu Kirchberg. Mit Kirchberg wird alles ein Ende finden, dann habe ich endlich Ruhe und darf tot sein.«
»D en Namen habe ich noch nie gehört«, sagte sie. »I ch weiß nicht, wer das ist.«
Bayle überschüttete sie mit einem Schwall von Worten, als leierte er einen religiösen Text herunter.
»S irius Bio-Life. Ernst Kirchberg. Der Mann ist der Kopf der Firma. Er ist der Vater. Ihr schwarzes Herz und ihre perverse Vision. Er hat ein Haus in Newport City, von dort aus lenkt er seine Marionetten. Der Mann mit dem weißen Auge, das ist Kirchbergs rechte Hand. Er erledigt die Drecksarbeit, von der niemand wissen darf. Kirchberg aber hat das Sagen. Bei Sirius gibt es keine Aktionäre, keine Öffentlichkeit. Kirchberg führt den Konzern wie einen Familienbetrieb. Sein Sohn arbeitet für ihn, früher auch seine Tochter, aber dann hat sie sich abgesetzt, hat dem alten Mann den Rücken gekehrt und ist nach Japan gegangen. Er ist der Herrscher, und er ist wahnsinnig. Er wird alles tun, um sein Königreich zu schützen. Charlie Rybeck hat uns das an dem Abend in der Nadel gesagt. Er hat uns erklärt, mit wem wir es zu tun haben. Wer sie sind.« Bayle verstummte einen Moment lang, dann wurde sein Tonfall anklagend und traurig. »I ch hätte es ihnen sagen können«, meinte er. »I ch hätte es erklären können. Aber ich habe es nicht getan. Ich hatte Angst, und sie waren so aufgebracht wegen der Kinder. Wären die Kinder nicht gewesen … Ich habe es nur Anthony gesagt, habe ihm gesagt, er solle nicht fortgehen. Es wäre nicht recht, es gäbe bessere Möglichkeiten. Ich denke, er hat mir geglaubt. Nach der Versammlung bin ich zu ihm gegangen. Wusste nicht, wohin, und außerdem musste jemand erfahren, was mit uns geschehen war. Ich hoffe, er hat mich verstanden und sein Wissen genutzt.«
»W er ist Anthony?«, fragte Kate. Sie hatte leise gesprochen, dennoch erwachte Bayle aus seinen Träumereien und erinnerte sich, wo er war und wen er vor sich hatte.
»D as tut nichts zur Sache«, sagte er. »D as geht dich nichts an. Jetzt bist du dran. Erzähl mir alles, damit ich dich kennenlernen kann.«
Sie fror, fühlte sich einsam und verlassen, und ihre Nerven begannen wieder zu flattern. »W ie ich schon sagte, ich weiß nichts. Ich sollte nicht hier sein.«
»W ir werden sehen.« Bayle richtete sich auf und verschwand im Gang. Sie hörte ihn in der Nähe hantieren. Metall schleifte an Stein, und sie vernahm das durchdringende Singen einer vibrierenden Klinge. Mit brutaler Deutlichkeit traten ihr die Tatorte vor Augen, brodelten hinter ihren Lidern empor wie Gewitterwolken. Diesmal aber sah sie ihren eigenen Leichnam in einem Fächer von Blutspritzern liegen, die Eingeweide auf dem Asphalt verstreut. Ihr Gesicht im Schrei erstarrt. Bayle würde sie aufschneiden, sie zerlegen, verhören, ihr die Worte unter Schmerzen mit der Klinge entreißen, und ihr Herz schlug immer schneller und schneller, bis es ihr in den Ohren dröhnte.
»S ie benutzen eine alte Werkstatt als Einsatzbasis!«, rief sie. »I ch weiß, wo sie liegt. Ich kann es Ihnen sagen. Hinter dem verrammelten Billardsaal in der LeBreton. Ein halbes Dutzend Leute, darunter auch Thorne, der Mann mit dem weißen Auge. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann, ich schwöre es.«
Stille. Dann: »I st das wahr? Ich werde nachsehen, und dann wird sich zeigen, wie es mit dir weitergeht, Frau. Dann wird es sich zeigen.«
Er kam nicht wieder, und das
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