Das Areal: Thriller (German Edition)
sagte Harry. »M öglich wär’s. Das nötige Kleingeld haben sie jedenfalls. Es ist eine Biotech-Firma mit Sitz in Newport, die sich vor allem mit neuartigen Medikamenten für ansteckende Krankheiten und mit Impfstoffen beschäftigt. Sie forschen im Regierungsauftrag, aber wer tut das heutzutage nicht?«
»W eshalb sollte sich ein Typ aus dem Areal für die Firma interessieren?«
»E s gibt da einen Laborkomplex am Stadtrand, drei Meilen nördlich des Areals, und der Firmenchef und Besitzer lebt in Newport. Weshalb jemand aus dem Areal sich ausgerechnet dafür interessieren sollte … da kann ich nur raten, genau wie Sie. Drogenherstellung, geheime Feldversuche, ein örtlicher Skandal …?«
Turner dachte an das Lace und das vom Tower verwendete Gegenmittel. An die Menschen, die verschwanden, ohne dass Fragen gestellt wurden. »W as ist mit den Namen auf der Liste?«
»D azu gibt es leider keine Erkenntnisse, mein Junge. Und ich kann nicht behaupten, dass mich das wundert. Der einzige Hinweis, auf den ich gestoßen bin, betrifft eine drei Wochen alte Todesanzeige. Ben Regis ist der Name des Vaters eines neunjährigen Jungen, der mit Tuberkulose ins St. Martin’s eingeliefert wurde; ein paar Stunden später ist er gestorben.«
»V or drei Wochen?«
»A m 29. Juni. Die Adresse lautet Market Street, Block C. Keine Wohnungsnummer.«
»I nteressant. Danke, Harry.«
»W ar mir ein Vergnügen. Wollen Sie wirklich keinen Kranz?«
Block C war ein vierstöckiger H-förmiger Betonklotz und lag drei Straßenblocks von Charlies Wohnung entfernt. Eines der kleineren Gebäude, welche die vier Hochhäuser im Zentrum umringten, mit einer Fassade aus abblätternder weißer Farbe und dicken Graffiti-Schichten. Einige Schmierereien waren so alt, dass sie nur noch aus bestimmten Blickwinkeln zu erkennen waren, Sprayschatten auf dem Mauerwerk. Turner verspürte ein Prickeln und hielt Ausschau nach Beobachtern, nach den Leuten von Barnard Security und nach Typen vom Tower, die hinter Ghost her waren. Fündig wurde er nicht, doch das vermochte ihn nicht zu beruhigen. Offenbar stand in der Gegend alles irgendwie unter Beobachtung.
Auf der Treppe und in den verdreckten Fluren stank es säuerlich süß nach Urin und verbrannten Opiaten. Diejenigen Bewohner, welche die Tür aufmachten, standen entweder unter Drogen oder wirkten psychisch krank. Wenn Turner Regis erwähnte, verflüchtigte sich bei den meisten ihre zunächst feindselige Haltung. Sie begannen zu stottern, schlugen den Blick nieder und beeilten sich, die Unterhaltung zu beenden. Keiner gab zu, ihn zu kennen, oder sagte ihm, in welcher der heruntergekommenen Wohnungen er hauste, doch das Thema machte ihnen offenbar Angst. Turners Verletzung begann zu brennen, bei jeder Drehung bekam er heftiges Seitenstechen. Er fühlte sich erschöpft und reizbar, und Ghost übernahm das Reden. Sie hatte auch nicht mehr Glück als er, bis ihnen ein alter Mann mit Weste und Sandalen öffnete, der aussah, als hätte er seit zehn Jahren nicht mehr geschlafen.
Als Ghost sich nach Regis erkundigte, schüttelte er den Kopf, doch die in seinem Blick flackernde Angst war dumpf und unbestimmt. Er seufzte und sagte mit unendlich müder Stimme: »I ch weiß nichts über Mr Regis. Keine Ahnung, ob er hier wohnt. Keine Ahnung, ob er verschwunden ist. Keine Ahnung, ob er tot ist. Wenn ich einen Verdacht hätte, würde ich im Buch nachsehen.«
Ghost verschluckte die Frage, die ihr auf der Zunge gelegen hatte. »I m Buch«, sagte sie.
»J a. Der Sohn meines Nachbarn wurde vor drei, vier Jahren getötet, wurde auf der Straße von bösen Männern überfallen. Der Vater bat den Tower um Gerechtigkeit. Zwei Tage später lagen die Köpfe der Männer vor seiner Tür. Hatten keinen friedlichen Tod. Schaut mal ins Buch, vielleicht ist euer Mann da drin vermerkt.«
Er nickte geistesabwesend und schlurfte zurück in die Wohnung. Schloss hinter sich die Tür, als wäre dies der Deckel von seinem Sarg.
»D as Buch«, sagte Ghost zu Turner, und auf einmal wirkte sie nervös.
Turner dachte an das, was der Türke ihm erzählt hatte. Sagte: »I st es schwer, da ranzukommen?«
»E igentlich nicht. Darum geht’s ja gerade.« Sie sprach leise, mit angstvollem Unterton.
»W äre es für dich okay, das zu checken? Liegt das nicht zu nahe am Tower?«
Sie schluckte mühsam. »D as geht schon klar.«
Eine halbe Stunde später stand er im Sanctuary Park und fühlte sich wie Ghost, als er sie gebeten hatte
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