Das Areal: Thriller (German Edition)
und schrie immer wieder ein einzelnes Wort, bis sie ohnmächtig wurde.
Sirius.
31
D as Tor erbebte, als Kate gegen die Angeln trat. Das Dröhnen der hohlen Metallstäbe wurde donnernd von den Tunnelwänden zurückgeworfen. Sie atmete tief ein, hielt die Luft an und trat erneut zu. Wieder und wieder. Immer heftiger, während ihr die Verzweiflung zusetzte und der Gedanke, dass mit jedem Dröhnen Bayle wieder auftauchen könnte, allmählich die Oberhand gewann. Der verrottete Beton barst, feine Risse breiteten sich aus, und mit jedem Tritt lösten sich schimmelgraue Brocken. Dann löste sich auf einmal das ganze Ding und krachte unter ohrenbetäubendem Scheppern auf den Boden. Unvermittelt setzte tiefe Stille ein, in deren Hintergrund eine Spannung lauerte, die lauter schien als das Getöse, das sie ausgelöst hatte. Kate schwitzte, war mit ihren Kräften am Ende, und in ihrer Brust spürte sie einen stechenden Schmerz.
Sie setzte die Beine in Bewegung, schlüpfte in den Tunnel. Bayles Laterne stand nahebei in einer Kammer, die ihrer Gefängniszelle ganz ähnlich war. Ein Schlaflager befand sich darin, ein paar halb leere Tüten mit Nahrungsmitteln, ein Bündel Kleider, einige schwarz von getrocknetem Blut. Sie schnappte sich die Lampe und versuchte sich zu erinnern, welchen Weg Bayle eingeschlagen hatte, damit sie einen anderen nehmen konnte. Die Lampe warf schwankende, unstete Schatten, und in ihrer Panik machte sie bei jeder Bewegung und in jeder dunkel gähnenden Öffnung ihren Peiniger aus.
Die Tunnelkreuzung war umgeben von schmalen Wegmündungen, die zwischen den Hauptwegen abzweigten, enge Gänge, die der Wartung oder als Lager dienten. Dies musste eine Art Hauptkreuzung sein, nahe dem nördlichen Schienenende. Sie hatte lautes Herzklopfen, doch bis auf das leise Seufzen des Luftzugs war es still in den Gängen. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben.
Dann vernahm sie leises Gelächter, aber das hatte sie sich vielleicht nur eingebildet. Sie entschied sich für einen Gang und rannte hinein.
Als ihr nach etwa einer halben Meile der Geruch auffiel, wurde sie langsamer und ging zitternd weiter. In den Tunneln von City Freight war es dunkel und kühl. Sie war in der tropfenden Dunkelheit allein mit ihrer Lampe und dem Wissen, dass womöglich irgendwo Jarred Bayle wie ein Gespenst durch die Finsternis huschte und sie durch die Gänge verfolgte, in denen er sich im Gegensatz zu ihr auskannte. Jeder Schritt und jedes Stolpern hallten in der Stille wider, und sie war überzeugt, dass man noch das leiseste Scharren am Beton eine Meile weit hören konnte.
Schon seit einer ganzen Weile ging es bergab. Kate nahm das Gefälle mit den Füßen wahr und sah es auch an der Flussrichtung der im Lampenschein funkelnden Wasserrinnsale. Sie war an mehreren Abzweigungen vorbeigekommen, an Nebengleisen, die irgendwann wieder in den Haupttunnel mündeten. In keinem der Tunnel zeigte sich auch nur der geringste Lichtschimmer, und das Risiko, in einer Sackgasse zu landen, bewog sie, dem Weg weiter zu folgen.
Der Tunnelboden wurde immer feuchter, der Dreck verwandelte sich in Schlamm, immer häufiger musste sie stinkenden Pfützen ausweichen. Mit jedem Schritt wurde der Gestank schlimmer: so durchdringend wie der Geruch saurer Milch und ungeklärter Abwässer, ein unentrinnbarer Gifthauch, von dem ihr übel wurde. Aber da die einzige andere Option darin bestand, einen der Seitentunnel auszuprobieren oder zu Bayles Gefängnis zurückzugehen, beschloss sie durchzuhalten.
Als Erstes stieß sie auf eine Frauenleiche. Aufgebläht und aufgedunsen, die Haut so schrumpelig wie eine Dörrpflaume, lag sie bäuchlings an der Tunnelwand. Die schwärzlich verfärbten Überreste ihres T-Shirts und ihrer Jogginghose wurden durch das aufgequollene Fleisch gedehnt. Kate fragte sich, ob Bayle sie auf dem Gewissen hatte oder ob sie zu seinen Freunden gehört hatte. Auf der Flucht getötet. Thorne hatte gemeint, Bayles Freunde seien bei dem Einbruch in das Labor von Sirius ums Leben gekommen, doch selbst wenn die Tunnel irgendwie mit dem Firmengelände in Verbindung standen, war es doch ein weiter Weg bis dorthin. Die Frau war nicht erschossen worden. Sie hatte Schnitte am Rücken, Hack- und Stichwunden. Ungezielt und nicht dazu gedacht, innere Organe zu verletzen, und ganz anders als die Verletzungen, die Bayles Opfer aufgewiesen hatten. Kate hätte solche Verletzungen vielleicht bei einem aus dem Ruder gelaufenen Raubüberfall erwartet, jedoch nicht
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