Das Arrangement
gleich waren.
Geburt, Tod, Steuern – und das hier.
“Ich weiß, wo die Tür ist”, sagte er. “Ich brauche keine Begleitung.”
Marnie stand auf dem Balkon des Schlafzimmers, das Handy ans Ohr gepresst. Sie war hinausgegangen, weil sie hoffte, dort einen besseren Empfang zu haben. Seit Bogart gegangen war, versuchte sie ständig, Andrew zu erreichen, aber er antwortete nicht. Die ersten Male hatte sich seine Mailbox eingeschaltet, ohne dass sie jedoch eine Nachricht hinterlassen konnte. Inzwischen erhielt sie die automatische Ansage, dass die Person, deren Nummer sie gewählt hatte, nicht erreichbar sei. Danach wurde die Verbindung unterbrochen.
Verzweifelt klappte sie das Handy wieder zu.
Ein Anrufbeantworter, bei dem man keine Nachricht hinterlassen konnte, war genauso frustrierend, wie überhaupt keinen Anschluss zu bekommen. Er würde gar nicht erfahren, dass sie versucht hatte, ihn zu erreichen. Sie konnte ihm nicht von LaDonna erzählen oder ihn fragen, wann er zurückkam. Langsam machte sie sich Sorgen, dass ihm etwas passiert war.
Ungefähr vor einer Stunde hatte sie die Notruftaste betätigt, um Kontakt mit dem Detektiv aufzunehmen, den Andrew engagiert hatte, aber niemand meldete sich. Seit heute Morgen hatte sie Sanchez nicht mehr gesehen. Vielleicht hatte Bret ihn weggeschickt, außerdem wusste Marnie nicht mal genau, ob er denn nun tatsächlich dieser Detektiv war.
Schon in Oyster Bay hatte sie gedacht, sie sei isoliert, von der Außenwelt völlig abgeschnitten, doch das hier war viel schlimmer. Sie fühlte sich so einsam und verlassen. Sie konnte Andrew nicht erreichen und mit den Leuten, die sie umgaben, durfte sie nicht offen sprechen. Es gab niemanden, an den sie sich um Hilfe wenden konnte, und sie hatte keine Ahnung, wie weit die Suche nach ihrer Großmutter fortgeschritten war und ob man sie überhaupt suchte.
Sie ging wieder hinein, warf das Mobiltelefon aufs Bett und betrachtete die Hausbar nachdenklich, fragte sich, was sie wohl trinken sollte, um ihre wild rasenden Gedanken zu beruhigen.
“Glenfiddich”, “Absolut”, “Bombay Sapphire”, “Casa Noble Blanco”.
Ihre Verzweiflung wuchs, als sie die Etikettenaufschriften las. Sie hatte Bücher über Weinsorten und andere alkoholische Getränke studiert, um sich auf diesen Trip vorzubereiten, aber im Moment sagte ihr keine dieser Sorten etwas. Kein Alkohol, beschloss sie. Auch keine Pillen. Sie musste diese Geschichte mit klarem Kopf durchstehen.
Plötzlich wurde ihr die Ungeheuerlichkeit des Geschehenen aufs Neue bewusst. LaDonna war tot? Sie konnte es einfach nicht fassen. Es war für sie unbegreiflich, dass ihre alte Freundin ermordet worden war – und was ihr noch unwirklicher vorkam, war, dass sie von der gleichen Klippe gestürzt war wie Marnie.
Nein, nicht gestürzt. LaDonna war nicht gefallen. Man hatte sie erschossen und hinuntergestoßen, und aus irgendeinem Grund glaubte Bogart, dass Alison es getan hatte.
Marnie drehte sich um und sah zum Nachttisch hinüber. Der Revolver! Andrew hatte ihr die Waffe dagelassen. Erleichtert stellte sie fest, dass die Pistole und das Magazin noch in der Schublade lagen. Beides sah unberührt aus. Gott sei Dank.
Sie sank aufs Bett und beugte sich vor, presste die Handflächen auf die pochende Stirn. Sie machte sich unnötig verrückt. So schlimm, wie sie sich alles ausmalte, konnte die Situation nicht sein. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als würde langsam alles über ihr zusammenbrechen.
Als sie den Kopf hob, fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild am Schrank. Sie sah ziemlich abwesend aus, die Augen wild aufgerissen wie die einer Geisteskranken. Ja, vielleicht wie eine Mörderin, die Leute von den Klippen stieß. Und das Schlimmste war, Tony Bogart hatte sie so gesehen.
Der Nachttischwecker zeigte zwölf Uhr. Andrew war jetzt vierundzwanzig Stunden weg, und nachdem, was alles seit seiner Abreise passiert war, konnte Marnie nicht mehr länger warten, bis er sich meldete. Bogart hatte angekündigt, dass es eine Untersuchung geben würde, und so sehr sie auch wünschte, dass er bluffte, sie wagte nicht, daran zu glauben. Sie musste sich unbedingt beruhigen und anfangen, vernünftig über diesen ganzen Schlamassel nachzudenken.
Sie stand auf und ging erneut auf die Terrasse. Keine Handys oder Notruftasten diesmal, einfach nur frische, kühle Luft und die Ruhe der mitternächtlichen Stunde. Es wurde ihr klar, dass sie jetzt weder Schlaftabletten noch Alkohol brauchte, sondern einen
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