Das Arrangement
sagte Julia. “Die wollen einen immer nur an den Pranger stellen, wie meine Mutter sagen würde.”
Vor allem, wenn man so widerwärtig und selbstherrlich war wie Julia.
“Bret ist schon auf”, unterrichtete Rebecca sie. “Alison ist vielleicht unterwegs, einen Spaziergang machen. Ich habe heute Morgen bei ihr angeklopft, aber sie hat nicht geantwortet.”
“Merkwürdig.” Julia sah vom Spiegel hoch. “Wieder ein Spaziergang? Das sieht Alison gar nicht ähnlich. Hat sie eine Nachricht hinterlassen?”
“Ich habe nichts gefunden. Das klingt ja, als würdest du dir Sorgen um sie machen. Hat sie sich denn gestern Abend so schlecht gefühlt?” Rebecca war redlich bemüht, besorgt zu klingen, aber im Grunde interessierten sie die Fairmonts einen Dreck, Alison inbegriffen. Vielleicht wusste sie inzwischen einfach zu viel. Die Fairmonts waren wie ein von innen verfaulter Apfel. Die Verwesung begann im Kerngehäuse, wo man sie nicht gleich sehen konnte, aber deshalb war der Gestank nicht weniger widerlich.
“Natürlich mache ich mir Sorgen”, entgegnete Julia ungeduldig. “Jemand ist ermordet worden, und da ist einer, der mit dem Finger auf meine Familie zeigt!”
Rebecca wechselte das Thema. “Möchtest du noch etwas außer Kaffee?”, erkundigte sie sich. “Orangensaft? Etwas Obst?”
“Keinen Kaffee, ich bin schon zittrig genug. Ich kann ja nicht mal richtig meine verdammten Härchen von der Oberlippe zupfen.”
“Du hattest aber extra um Kaffee gebeten.”
“Hätte ich eben nicht tun sollen. Bring ihn doch Bret. Oder trink ihn selbst.”
“Ich habe meinen Kaffee heute schon gehabt – Julia, was machst du denn da?”
“Dieses letzte verdammte Haar ausrupfen. Die bringen mich noch an den Rand des Wahnsinns.”
“Warte, ich helfe dir.” Rebecca rannte zu ihr hinüber. “Julia, hör auf. Du blutest ja schon. Du zupfst an deiner Haut.”
Unten ertönte die Türklingel, und Rebecca sah auf die Uhr, verwundert, wer das wohl sein mochte. Es war noch nicht mal neun Uhr.
Sie nahm Julia die Pinzette aus der Hand, obwohl sie wusste, dass sie das wütend machen würde, und beeilte sich, aus Julias Zimmer zu kommen. “Ich werde aufmachen”, rief sie über die Schulter zurück.
Rebecca kam nur bis zur Diele. Bret hatte bereits die Tür geöffnet und kam die Treppe heraufgestürzt. Er packte Rebecca bei der Hand und zog sie wieder zurück in Julias Zimmer.
Julia warf die Decke zurück und stand auf. Blut tropfte aus kleinen Wunden über ihrer Oberlippe.
“Was ist denn los?”, wollte sie von Bret wissen.
“Die Polizei ist hier. Zwei Typen. Sie haben einen Hausdurchsuchungsbefehl und einen Haftbefehl für Alison. Offensichtlich hat gestern Abend jemand den Mord beobachtet.”
Rebecca starrte Bret an. Seine verkrampften Gesichtszüge sagten ihr, dass er keinen Scherz machte. Er war schockiert. Julia nicht minder. Sie machte den Eindruck, als würde sie gleich zusammenbrechen. Das war schlimmer als alles, was Rebecca sich vorgestellt hatte, als sie heimlich den Untergang der Fairmonts in die Wege geleitet hatte. Das war der blanke Horror.
Marnie hörte das Hupen und sah in ihren Rückspiegel. Es war der Typ direkt hinter ihr in diesem schicken Sportwagen. Offensichtlich fuhr sie ihm nicht schnell genug, denn er wedelte mit der Hand und machte ein paar obszöne Gesten.
Wahrscheinlich so ein smarter Teenager, der meinte, ihm gehöre die Straße allein.
“Mach dich aus dem Staub!”, rief sie, wusste aber, dass er sie nicht hören konnte. Er wollte, dass sie schneller fuhr oder Platz machte. Doch bei diesem Verkehr würde sie sich hüten, eins von beidem zu tun. Es war mitten im Sommer, und sie fuhr den Pacific Coast Highway entlang, Richtung Süden nach San Diego. Mehrere Pflegeheime auf ihrer Liste lagen auf dieser Strecke, aber die Küstenstraße war voll mit Autos von Strandgängern und Touristen.
Dieses Gehupe machte sie verrückt, und sie fuhr langsamer. Sollte er doch hinter ihr ausflippen. Ein Ruck ging durch ihren Wagen, und ihr Sicherheitsgurt zog sich fest. Das fürchterliche Geräusch von Metall auf Metall sagte ihr eindeutig, dass er sie gerammt hatte. Was sollte das?
Ein weiteres Rucken. Schon wieder? Was wollte der Kerl? Wenn sie doch bloß den Revolver eingesteckt hätte. Sie lenkte den Wagen an den Straßenrand und bremste, dann suchte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Notfallhandy, um die Polizei zu verständigen. Der Aufprall war zwar nicht besonders stark gewesen, aber
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