Das Arrangement
an die Vordertür und hörte, wie drinnen jemand brüllte: “Mach nicht so einen verdammten Lärm!”
“Dad? Ich bin es, Tony. Ich muss mit dir reden.” Er versuchte die Klinke hinunterzudrücken, und die Tür öffnete sich.
“Mach, dass du rein kommst, und schließ die verdammte Tür”, schnauzte ihn sein Vater an.
Tony betrat das kahle Wohnzimmer. Als er den verärgerten Blick des alten Mannes auffing, der in einem hochgestellten Liegesessel lümmelte und fernsah, fühlte er sich wieder wie ein verängstigter kleiner Junge. Auf dem Tisch neben Tonys Vater standen eine leere Halbliterflasche Bier, ein Telefon mit Wählscheibe und ein Aschenbecher. In der Hand hielt er die Fernbedienung. Ansonsten befand sich kein einziges Möbelstück mehr im Raum.
“Geht es dir gut?”, erkundigte sich Tony. “Lange nicht gesehen.” Er verzichtete darauf, seinen Vater daran zu erinnern, dass der es nicht für nötig befunden hatte, seine neue Adresse durchzugeben, bevor er Mirage Bay verließ.
Der alte Mann zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
Tony spürte bereits wieder, wie die Wut in ihm aufstieg. Dazu gehörte nicht viel. Er hasste diese kalte Gleichgültigkeit seines Vaters.
Hasste
seine Art.
“Butchs Mörderin hat die Tat gestanden”, sagte Tony und fragte sich, warum er überhaupt hergekommen war. “Es ist eine Frau aus dem Ort, Marnie Hazelton.”
“Ich weiß”, entgegnete sein Vater nur.
“Du weißt, dass sie gestanden hat?”
“Ich weiß, dass es Marnie Hazelton war.”
Tony nickte. “Ach ja, wahrscheinlich kam es in den Nachrichten. Scheint so, als würden sie sie mit einem Klaps auf die Hand davonkommen lassen, obwohl sie eigentlich lebenslänglich hinter Gitter gehört. Meine Güte, sie hat siebzehn Mal auf ihn eingestochen! Das kann man doch nicht mehr als Notwehr bezeichnen. Das ist was anderes.”
“Das ist Wut”, sagte der alte Mann, “Hass – zu dem die überhaupt nicht fähig gewesen wäre.”
Tony wurde es plötzlich ganz mulmig in der Magengegend. Er blickte seinen Vater direkt an. “Du kanntest sie?”
Der alte Mann hielt seinem Blick stand, sein Gesicht war hart und verschlossen und so zerfurcht wie die Felsen an der Küste. “Gut genug jedenfalls, um zu wissen, dass sie nicht siebzehn Mal auf ihn eingestochen hat. Das war ich.”
Tony wich einen Schritt zurück und stützte sich mit dem Rücken an der Wand ab. Es gab nirgends eine Sitzgelegenheit, und er hatte das Gefühl, seine Beine würden jeden Moment unter ihm nachgeben. “Das meinst du doch nicht im Ernst, Dad. Butch war dein kleiner Junge. Du hast ihn geliebt.”
Sein Vater lehnte sich vor, verkreuzte die Arme über seinen Beinen und starrte auf den Fußboden. “Ich hab ja auch nicht gesagt, dass ich ihn nicht geliebt habe.”
Tonys Kehle fühlte sich plötzlich ganz trocken an. Irgendwie bekam er aber doch noch einen Ton heraus, um seinen Dad zu bitten, ihm alles von Anfang an zu berichten.
“Eines Tages rief mich einer von Butchs Kumpeln an”, sagte sein Vater. “Der Junge machte sich Sorgen um Butch. Er meinte, es gäbe bestimmt bald Ärger, weil er von einem Mädchen so besessen sei, dass er es ständig verfolge und belästige.”
“Marnie?”
Der alte Mann nickte. “Als der Junge mir den Namen des Mädchens sagte, wollte ich es nicht glauben. Marnie Hazelton war mir bekannt, so wie jedem. Die mit dem verunstalteten Gesicht. Ich hab gelacht und dem Jungen erklärt, dass Butch sicher nie an so einem Freak interessiert wäre. Dann meinte ich noch, dass diese hässliche Kröte dankbar sein solle, wenn sie jemand von ihrem öden Dasein erlöse, und wenn Butch das vorhätte, nur zu.”
Er holte tief Atem. “Butch hat gehört, was ich am Telefon sagte, und wir haben uns beide halb krank gelacht. Es war einfach eine Alberei, ein Witz, nichts weiter. Man sagt eben manchmal was daher, aber deshalb macht man so was ja nicht.”
“Was macht man nicht?”
“Na, ein Mädchen töten, nur weil es hässlich ist.”
Tony rutschte an der Wand herunter auf den Boden und blieb dort schockiert sitzen, ohne etwas sagen zu können. Dazu gab es auch nichts zu sagen. Es sah so aus, als hätte sein Vater Butch unbeabsichtigt dazu aufgefordert, Marnie zu überfallen.
Das Geräusch der Wählscheibe, die gedreht wurde, riss ihn aus seiner Trance. “Was hast du vor?”
“Ich rufe die Polizei an. Butch hat noch gelebt, als ich ihn im Tidesee gefunden habe. Er war schwer verletzt, raste vor Wut, aber er lebte
Weitere Kostenlose Bücher