Das Arrangement
hatte Marnie die Rolle der Frau gespielt, die sie früher immer so angehimmelt hatte. Dieser Trick war Andrews Idee gewesen. Bogart hatte dem Handel zugestimmt – die Anklage gegen Andrew und Marnie würde fallen gelassen werden, sobald sie dem wahren Täter eine Falle stellten. Bret.
Andrew hatte das Testament in Julias Safe gefunden und von da an Bret als Hauptbegünstigten unter Verdacht gehabt. Als er nach Mexiko geflogen war, hatte er gehofft, Bret, würde ihm folgen, um dort seine Schwester zu identifizieren. Doch der Mord an LaDonna hatte Andrew gezwungen, in die Staaten zurückzukehren, bevor die Falle zuschnappen konnte – und hatte ihn von Brets Spur abgebracht.
Bret besaß seiner Meinung nach kein Motiv, LaDonna zu töten. Einzig denkbar wäre gewesen, dass er Alison den Mord anhängen wollte, und das ergab für Andrew zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn. Damit Bret an das Treuhandvermögen kam, musste Alison tot sein, nicht für den Rest ihres Lebens im Gefängnis verrotten. Was Andrew nicht ahnte, war, dass Bret von Marnies Rolle als Alison erfahren hatte. LaDonna hatte es ihm verraten. Der jungen Frau, die ihr Lebtag kein glückliches Händchen mit Männern gehabt hatte, war ein letzter verhängnisvoller Fehler unterlaufen.
Marnie war dankbar, dass sie nicht zusehen musste, wie die Sanitäter Bret abtransportierten. Sie wusste wirklich nicht, was sie für ihren Bruder empfand. Abscheu, natürlich, wenn sie bedachte, was er alles getan hatte. Aber das Ganze war ein bisschen komplizierter. Sie verspürte auch Mitleid und Trauer. Irgendwann würde sie das alles vielleicht verstehen.
Was sie brauchte, war Zeit. Das wurde ihr klar, als sie Andrews besorgtem Blick begegnete. Sie berührte ihren Pennyring und war so dankbar wie nie zuvor, dass sie nicht Alison Fairmont war. Vielleicht hatte sie diese Feuerprobe der vergangenen Wochen durchmachen müssen, um zu begreifen, wie dankbar sie für ihr Leben war, für ihre Großmutter und alles, was eben Marnie Hazelton ausmachte. Mit dieser Erkenntnis würde sie sich der Zukunft stellen. Und sollte sie jemals eigene Kinder bekommen, dann würde sie sich redlich bemühen das, was sie hier gelernt hatte, an sie weiterzugeben.
Sie blickte auf die Kreidestriche auf dem Fußboden, mit denen Brets Umrisse nachgezeichnet worden waren. Dieses verwöhnte Jüngelchen hatte tatsächlich geglaubt, dass er seine Schwester einfach ertrinken lassen konnte, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Womöglich fühlte er sich durch die Art und Weise, wie sie und seine Mutter ihn die ganzen Jahre über behandelt hatten, gerechtfertigt. Doch offensichtlich hatte er nie von dieser alten Weisheit gehört, die Marnie vor vielen Jahren von ihrer Großmutter erfahren hatte und die ihr angesichts der Tiefen des Ozeans beim Blick von Satan's Teeth wieder eingefallen war.
Was immer du dem Meer gibst, ob es Dreck ist, ein Fluch, Gebete oder ein Schatz, das Meer vergisst nie.
35. KAPITEL
“W eisen Sie mich einfach in ein Krankenhaus ein”, sagte Julia, während sie ständig ihren Diamantring hin und her drehte. “Und geben Sie mir Beruhigungspillen, bitte. Starke Beruhigungspillen. Damit ich mindestens einen Monat nichts mehr mitbekomme.”
Der Psychiater, der Julia von einem Freund empfohlen worden war und der jetzt in dem hohen Lehnstuhl direkt neben ihr saß, nickte bedächtig. Ein großer Typ mit Vollbart, der Julia mit seinem gütigen Aussehen an Sigmund Freud erinnerte. Seitdem sie sein Sprechzimmer betreten hatte, blickte er sie mitfühlend an.
“Sie haben eine Menge durchgemacht”, bemerkte er verständnisvoll. “Gerade erst haben Sie Ihren Sohn auf schreckliche Weise verloren, Ihre Tochter wird immer noch vermisst, und jetzt werden Sie mit einer erwachsenen Tochter konfrontiert, die außerehelich geboren wurde.”
Julia fühlte sich, als würde ihr jemand das Herz aus dem Leib reißen. Gestern Abend war sie ins Fernsehzimmer gegangen, um sich im Gedenken an Bret das Spiel der Padres anzusehen. Sie hatte sich in seinen Sessel gesetzt, ein Bier aus dem Plastikbecher getrunken und das ganze Spiel über geheult und sich dabei gefragt, warum ihre Beziehung so völlig in die Hosen gegangen war.
Julia zog ein Taschentuch mit feiner irischer Spitze aus der Brusttasche ihrer Bluse und putzte sich die Nase. Der Arzt wartete geduldig, bis sie sich wieder etwas gefasst hatte. Zumindest verstand er, wie sehr sie litt,
dass
sie überhaupt leiden konnte.
“Gibt es noch etwas, das Sie
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