Das Arrangement
frische Atmosphäre.
Andrew war zur Hausbar, einem wahrscheinlich antiken Schmuckstück aus Metall und Leder auf Rädern, hinübergegangen, um zu sehen, was es dort gab. Der Wagen bog sich förmlich unter diversen Kristallkaraffen, die samt und sonders mit teuren und exotischen Alkoholika gefüllt waren. Julia Fairmonts Gastfreundschaft war legendär. Aber offensichtlich ihre Hinterhältigkeit ebenfalls.
“Meinst du, sie hat ihre Meinung geändert?”, fragte Alison. “Wird sie uns auffordern, wieder zu gehen?”
“Nein, sie hat ihre Gründe, warum sie uns hierhaben will, genauso wie es in unserem Interesse ist.” Er sah zu ihr hinüber. “Du kannst doch nicht vergessen haben, wie deine Mutter aussieht. Wir sind die ganzen Alben durchgegangen. Ich habe dir die Fotos alle gezeigt.”
“Ich weiß auch, wie sie aussieht. Das ist der Punkt. Sie hat sich verändert. Ist dir das nicht aufgefallen?”
“
Du
hast dich verändert. Du hast sie mit deinem wilden Haar fast zu Tode erschreckt.” Er lachte und nahm sich eine schlanke Karaffe, deren Inhalt im schwindenden Licht bernsteinfarben schimmerte. “Wie wäre es mit einem Drink? Sherry? Das wird dich etwas beruhigen.”
“Igitt. Lieber trinke ich Mundwasser.” Alison saß auf der Kante eines Korbstuhls neben dem Bett und versuchte sich die vielen Gesichter der Julia Fairmont ins Gedächtnis zu rufen, die, an die sie sich von früher erinnerte, und die, die sie auf den Schnappschüssen gesehen hatte. Aber immer wieder hatte sie dieses maskenhafte Gesicht vor sich. Es schien Andrew nicht besonders aufgefallen zu sein, doch auf Alison hatte es dermaßen schockierend gewirkt, dass es ihr nicht mehr aus dem Kopf ging.
Um sich zu beruhigen, begann sie im Geiste alle Einzelheiten durchzugehen, die sie mit viel Hilfe von Andrew über ihre Mutter herausgefunden hatte. Julia war nie einem Broterwerb nachgegangen, hatte aber mit großem Erfolg Spendengelder für die verschiedensten wohltätigen Zwecke zusammengetragen. Sie hatte eine Katzenallergie, aber keine Probleme mit Hunden, und sie hegte eine Aversion gegen die Farbe Rot. In ihrem Musikgeschmack zeigte sie sich äußerst anspruchsvoll, allerdings war sie süchtig nach Realityshows im Fernsehen. Nichts schien sie so leicht aus der Fassung zu bringen, wie das Weinen von Babys. Alison wusste nicht, warum, aber sobald irgendwo ein Kind schrie, begann ihre Mutter zu zittern und verbarrikadierte sich irgendwo, um es nicht mehr hören zu müssen.
Es gab noch viel mehr, aber nichts wollte ihr im Moment einfallen. In ihrem Gedächtnis gab es immer noch große Lücken, vor allem wenn sie unter Stress stand.
“Sah sie schon immer aus wie eine Statue?”, fragte sie Andrew. “Sie wirkt so künstlich. Man könnte meinen,
sie
ist diejenige, die mehrere Gesichtsoperationen hinter sich hat, nicht ich.”
Er setzte zu einer Antwort an, aber Alison unterbrach ihn. “Warum sind wir hierher gekommen, Andrew? Es scheint, als wolle sie uns gar nicht sehen. Sie benimmt sich, als würden wir Pest und Cholera einschleppen.”
Alison war sich ganz sicher, das entsetzte Aufflackern in den Augen ihrer Mutter gesehen zu haben, auch wenn es Andrew entgangen zu sein schien. Sie konnte lediglich raten, was es zu bedeuten hatte. Vielleicht war längst nicht alles vergeben und vergessen, und sie und Andrew waren herzitiert worden, um sich nun einer Konfrontation zu stellen. Oder ihre Mutter fühlte sich abgeschreckt, weil Alison tatsächlich so fremd und anders aussah, wie sie sich fühlte.
Andrew nahm eine weitere Flasche Scotch vom Wagen und studierte das Etikett. Sie beobachtete ihn dabei und erinnerte sich daran, dass er keinen Alkohol mehr trank.
“Du weißt, warum wir hier sind”, erwiderte er.
Seine Stimme klang leicht ungeduldig, was sie veranlasste, das Thema zu wechseln. “Das Zimmer gefällt mir”, sagte sie. “Aber diese Villa … ziemlich groß und verwirrend. Ich weiß gar nicht, ob ich allein wieder in die Diele finden würde.”
“Julia hat am Telefon gemeint, dass du das Haus wahrscheinlich nicht wiedererkennen würdest. Sie hat alles von Grund auf renovieren lassen, seit du ausgezogen bist. Ich habe vergessen, dir das zu sagen, tut mir leid. Es war in letzter Zeit alles etwas chaotisch.”
Wie um seine Entschuldigung zu unterstreichen, brachte er ihr ein Glas mit einem seltsam blassrosafarbenen Aperitif. Sie roch daran und nahm einen Schluck. Definitiv kein Sherry. Es schmeckte nach Erdbeeren.
“Julia ist
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