Das Arrangement
verrückt nacheinander waren, ein leidenschaftliches Paar, das die Hände nicht voneinander lassen konnte?
Julia Driscoll-Fairmont liefen Tränen über die Wangen, als sie die Flaumhärchen von ihrer Oberlippe zupfte. Eins nach dem anderen beseitigte sie die kaum sichtbaren Übeltäter und ließ dabei ab und zu einen kleinen Blutfleck zurück. Doch am meisten schmerzte es, diese irregeleiteten Haare herauszuziehen, die es wagten, aus ihrer aristokratischen Nase hervorzusprießen.
Ihre Kosmetikerin hätte diese Aufgabe sicher liebend gern übernommen, und das wäre viel schneller gegangen, außerdem mit weit weniger Schmerzen. Aber das wäre nicht der Sinn der Sache gewesen. Es hätte Julias Nerven nicht so beruhigen können, wie es das Zupfen jetzt tat.
In der vergangenen halben Stunde hatte sie an ihrem Frisiertisch gesessen, in der einen Hand den kleinen Spiegel, in der anderen die Pinzette – bei jedem ausgerissenen Härchen zuckte sie genüsslich zusammen. Wahrscheinlich gab das pro Haar jeweils eine neue Falte. Sie hatte gehört, dass körperlicher Schmerz die Produktion von Endorphinen im Hirn anregte, die süchtig machen konnten, doch das war nicht ihr Problem. Sie war keine Masochistin. Wenn überhaupt, dann hatte sie diese Besessenheit mit der Zupferei ihrer lieben verstorbenen Mutter zu verdanken.
Eleanor Driscoll war eine geborene Roosevelt gewesen, und diese damit verbundene Verantwortung hatte sie sich sehr zu Herzen genommen. Seit ihren Teenagerjahren war Eleanor Dee, wie sie von allen genannt wurde, eine Aktivistin gewesen. Sie hatte sich als eine moderne Freiheitskämpferin betrachtet, was beinhaltete, dass sie die sozial Unterdrückten verteidigte, wo immer sie sie antraf.
Eleanor Dee war eine Anhängerin des ehrenamtlichen Arbeitens und der Aufopferung. Sie verabscheute Zügellosigkeit in jeder Beziehung, dazu gehörte das Trinken, das Rauchen und natürlich die sexuelle Ausschweifung. Traurigerweise hatte Julia, ihre Tochter und einziges Kind, sie in jeder Beziehung enttäuscht, und das auf die peinlichste und schmachvollste Weise.
“Mea culpa”, murmelte Julia. Mit ihren neunundvierzig Jahren hatte sie noch immer die größten Schuldgefühle, und so würde es wohl bis zu ihrem Tod bleiben. Nur ihre Mutter und ihr hingebungsvoller Ehemann hatten gewusst, was Julia in ihren Zwanzigern getrieben hatte. Beide hatten ihr Geheimnis mit ins Grab genommen. Julia war entschlossen für ihre Fehler zu sühnen. Sie hatte ein vorbildliches Leben geführt … zumindest bis vor Kurzem. Sie hatte ihre zwei Kinder aufgezogen und war eine Säule der Gesellschaft geworden, so wie alle Driscolls und Fairmonts vor ihr. Doch all das war nicht genug Buße für den Schaden gewesen, den sie angerichtet hatte. Nichts würde das alles jemals wiedergutmachen können.
Okay, sie war schuldig, war aber auch Opfer gewesen. Man hatte sie damals schmählich im Stich gelassen. Auch deshalb zupfte Julia, um sich an den Schmerz zu erinnern, den sie damals empfunden hatte. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte sie am liebsten jedes einzelne Haar herausgerissen, das sie am Körper besaß. Das war ihre Art sich von denen zu befreien, die ihr Herz gebrochen hatten, als sie noch eines hatte, von jenen, die sie betrogen hatten.
Als Nächstes machte sie sich an die Augenbrauen. Das war kein Zupfen, das war eine Reinigung. Und wenn die Schmerzen irgendeine Art Buße für ihre Sünden darstellten, dann war zumindest sie selbst es, die sich diese Schmerzen zufügte.
Seufzend legte sie die Pinzette weg und betrachtete ihr nachdenkliches Gesicht im Handspiegel. War dieses spinnennetzartige Ding da auf ihrer Wange ein geplatztes Äderchen?
Erneutes Zusammenzucken. Eine weitere Falte.
Der Spiegel landete mit einem Knall auf der Granitoberfläche des Tisches. Von diesem langen Sitzen in einer so unnatürlichen Position hatte sie obendrein noch Kopfschmerzen. Für so etwas war jetzt keine Zeit. Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn kamen heute Abend. In wenigen Stunden würden sie hier sein, und sie war nicht vorbereitet. Ihr Haus befand sich in tadellosem Zustand, ihre Assistentin würde dabei helfen, die Drinks und Horsd'œuvres zu servieren. Selbst Bret war merkwürdig kooperativ. Alles war so weit hergerichtet wie möglich. Nur sie, Julia, war noch nicht bereit.
Ihr schwarzes rückenfreies Seidenkleid hing schon auf einem gepolsterten Bügel in ihrem Ankleidezimmer. Als sie den Raum betrat, betrachtete sie den schlichten eleganten
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