Das Arrangement
der Unfall. Du siehst aber großartig aus. Niemand würde auf die Idee kommen, dass fast dein ganzes Gesicht entstellt war – jedenfalls habe ich das gehört. Tut mir leid, das klingt sicher ziemlich grob.”
Alison starrte sie nur hilflos an. Sie beabsichtigte nicht, mit ihr über die Gesichtsverletzungen zu sprechen. Egal, wie oft man ihr sagte, dass sie gut aussah, sie fühlte sich immer noch wie ein Freak. Und diese Frau hier schien überhaupt keine Grenzen zu kennen.
“Vielleicht kann ich dir ja helfen. Was suchst du denn?”, erkundigte sich LaDonna. “Ich sollte nicht einfach hier herumstehen und quatschen, die feuern mich sonst.”
Alison wurde bewusst, dass sie immer noch die Tube mit der Cortisoncreme in der Hand hielt. Sie stellte sie zurück auf ein Regal hinter eine größere Packung mit etwas ganz anderem. “Ich habe eine Handcreme gesucht. Wo kann ich so was finden?”
LaDonnas besorgter Gesichtsausdruck verschwand und machte einem Lächeln Platz. “Komm mit. Wir haben im Moment mehr als genug. Ich schwärme ja für Colloidal Oatmeal, die ist sehr wohltuend, und wenn man so empfindliche Haut hat wie ich, ist das ein Muss.”
LaDonna warf Alison einen dankbaren Blick zu. “Versteh mich nicht falsch, aber ich dachte, Leute wie die Fairmonts würden so was nicht in solchen Läden wie dem hier kaufen. Ich meine so normale alte Drogerien. Ich finde es toll. Oh, geht es dir wirklich gut?”
Alison war stehen geblieben und legte sich die Hand auf die Brust. Sie kämpfte immer noch gegen eine Art Hustenanfall. Es brannte plötzlich wie Feuer in ihren Lungen. Vielleicht war sie tatsächlich krank.
“Entschuldigung, ich muss gehen”, sagte sie plötzlich und schob sich an LaDonna vorbei. Es war unglaublich unhöflich, aber wenn sie nicht so schnell wie möglich aus dem Laden kam, würde etwas Fürchterliches passieren. Während sie hinauseilte, kämpfte sie gegen den Hustenreiz an.
“Was ist mit der Handcreme?”, rief ihr LaDonna hinterher. “Habe ich dir gesagt, dass da Hafermehl drin ist? Das ist ein unheimlich gutes Zeug. Alison, was ist mit dir?”
Alison stürmte durch die Tür des Geschäfts und blieb erschrocken stehen, als sie den unbekannten Parkplatz erblickte.
Wo war sie denn?
Mirage Bay, die Ladenstraße im Stadtzentrum.
Wie war sie hierher gekommen?
Das schwarze BMW-Cabrio, das ihr früher mal gehört hatte. Es parkte keine zehn Meter entfernt. Die Schlüssel befanden sich in der Tasche ihres Kleides.
Wer war sie?
Darauf hatte Alison keine Antwort, während sie in die Tasche griff und die Schlüssel herauszog.
* * *
Zweiter Februar, sechs Monate zuvor
Das schwarze Wasser liebte sie am meisten. Die Blätter der Eichenbäume formten ein Dach, das vor der Nachmittagssonne schützte, und die dunkel glänzende Oberfläche des Tidesees schien alle Unvollkommenheit aus ihrem Spiegelbild wegzuwischen. Ihr Anlitz wirkte friedlich und gelassen. Es war fast ein normales Gesicht, das ihr entgegenblickte, keine Spur von Missgestaltung. Das Baden hier bedeutete für sie eine Art Meditation über ihre erhabene Schönheit. Für einen Moment fühlte sie sich vollkommen.
Gerade als sie aus dem Wasser auftauchen wollte, vernahm sie ein Rascheln. Sie zögerte, duckte sich wieder und versuchte sich in den Schatten zu verbergen. Verzweifelt stöhnte sie leise auf. Jemand beobachtete sie.
Er
beobachtete sie. Das wusste sie, bevor er überhaupt aus dem Gebüsch hervortrat.
Dieser Mistkerl. Dieser krankhafte Mistkerl hatte sie gefunden.
“Du hässliche Schlampe”, zischte er. Er sprang in den flachen Teich, schwarze Spritzer flogen in alle Richtungen. Langsam, wie in Trance, erhob sie sich aus dem Wasser und beobachtete erstarrt, wie er auf sie zugewatet kam. Sie war nackt, fühlte sich völlig wehrlos.
Er war es, der ihr jeden erbärmlichen Moment ihres erbärmlichen Lebens zur Qual machte. Er beschimpfte sie und begrapschte sie grob. Er und seine Freunde jagten sie, wohin sie auch kam, kreisten sie ein wie ein Rudel Straßenköter, lachten sie aus, verspotteten sie wegen ihres verunstalteten Gesichts. Einmal hatten sie sie festgehalten, zu Boden geworfen und auf sie uriniert, und niemand hatte sie daran gehindert.
Er hatte dafür gesorgt, dass sie im ganzen Ort verachtet und geschnitten wurde. Und nun würde er sie vergewaltigen und töten. Er müsste sie ja danach loswerden, oder nicht?
Du beschissener Mistkerl! Ich werde nicht zulassen, dass du mich vernichtest!
Tränen strömten
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