Das Arrangement
einzufordern.
“Sie hat zwei Morde auf dem Gewissen”, flüsterte jemand an seinem Ohr, “und sie wird bald wieder töten. Diesmal hat sie jemanden ins Visier genommen, den Sie kennen und lieben.”
“Wer hat zwei Morde auf dem Gewissen?”, fragte Tony.
“Das wissen Sie doch bereits”, ertönte die Stimme spöttisch.
“Reden Sie von Alison Fairmont? Wen hat sie noch im Visier?”
“Das wissen Sie auch schon. Haben Sie was an den Ohren?”
Die Verbindung wurde unterbrochen, und Tony tippte den Code ein, der seinen Handyservice aufforderte, die Nummer des Anrufers auszumachen. Diese Einrichtung war normalerweise für Fälle von telefonischen Drohungen und Belästigungen gedacht, doch das war die einzige Möglichkeit, die Tony im Moment hatte. Seit er vom FBI beurlaubt worden war, hatte er keinen Zugang mehr zu deren elektronischen Überwachungssystemen.
Der Anrufer klang wie eine Frau, aber es gab eine Menge Möglichkeiten, seine Stimme zu verstellen. Jemand, den er kannte und liebte? Tony musste lachen. So jemanden gab es nicht, wenn er sich selbst mal aus dem Spiel ließ.
Sein Grinsen verschwand, als er sah, wie Villard das Boot aus dem Hafen des Jachtklubs lenkte und in Richtung der Riffs fuhr. Das wurde ja immer interessanter. Vielleicht sollte er Villard ja dankbar sein, dass er seine schöne Frau aus dem Wasser gezogen und nach Hause gebracht hatte, sodass Tony die Möglichkeit erhielt, ihr alles heimzuzahlen.
Von wem auch immer dieses Haus entworfen wurde, er hatte die Straßenschilder vergessen.
Marnie hatte sich auf der Suche nach Julias Zimmer in Sea Clouds verlaufen. Ihr Hautausschlag war endlich zurückgegangen, die Nerven etwas beruhigt, aber das hatte fast vierundzwanzig Stunden gedauert. Andrew hatte sie immer entschuldigt, doch heute Morgen war er mit dem Versprechen, etwas über ihre Großmutter herauszufinden, früh aus dem Haus gegangen.
Jetzt war es fast zwei Uhr nachmittags, und das Haus kam ihr ungewöhnlich ruhig vor. Marnie wollte wissen, wohin denn alle verschwunden waren. Sie hielt es nicht mehr länger aus, einfach herumzusitzen und auf Andrew zu warten.
Sie glaubte, es wäre eine gute Idee, sich ein bisschen mit Julia zu beschäftigen. Vielleicht fanden sie ja sogar irgendwie eine gemeinsame Basis. Doch dazu müsste sie erst mal ihr Zimmer finden. Wenn sie früher als Kind das Gebäude von außen betrachtet hatte, war ihr Blick immer auf diesen Raum im ersten Stock mit den riesigen Palladiofenstern und den romantischen schmiedeeisernen Balkonen, von denen aus man den Ozean überblickte, gefallen. Doch dieses Zimmer hier drinnen zu suchen, war wie ein Gang durch ein Labyrinth.
Der erste Stock bestand aus zwei Flügeln mit Räumen, die einen spektakulären Ausblick sowohl aufs Meer als auch auf die Berge boten. Auf dem Weg von dem einen Flügel in den anderen kam Marnie an dunklen Nischen mit unbewohnten Gästezimmern vorbei. Schließlich fand sie einen breiten Flur, an dessen Ende sich eine Doppeltür befand. Das sah sehr vielversprechend aus.
Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen, sich über ihre Entscheidung Gedanken gemacht und über diese groteske Lüge, mit der sie lebte. Doch das war wohl unvermeidlich. Sie konnte Julia nicht die ganze Wahrheit sagen, doch sie könnte ihr vielleicht gestehen, dass sie befürchtete, ihren Erwartungen nicht zu entsprechen. Das stimmte ja auch, und eine richtige Tochter hätte unter diesen Umständen sicher dasselbe empfunden.
Als Marnie sich der Flügeltür näherte, hörte sie von drinnen Stimmen.
“Da ist was ganz offensichtlich nicht in Ordnung. Merkst du das nicht? Sie verläuft sich im Haus. Manchmal sieht sie sich um, als wäre sie noch nie hier gewesen.”
Marnie ging weiter und horchte. Es war Brets Stimme.
“Du kannst nicht von ihr erwarten, dass sie die alte Alison ist, nach allem, was sie durchgemacht hat”, entgegnete Julia.
“Wer sagt denn, dass ich die alte Alison gern wiederhätte? Ich habe dieses Miststück gehasst – und sie mich. Aber irgendwas stimmt an ihr nicht. Findest du das nicht komisch, dass sie sich an uns, ihre Familie erinnert, aber das Haus vergessen hat, in dem sie aufgewachsen ist?”
“Bret, du sollst deine Schwester nicht Miststück nennen. Das ist eine widerliche Gossensprache.”
“Woher wollen wir denn wissen, dass sie meine Schwester ist?”
Marnie betrat den Raum und zögerte kurz. Sie fragte sich, wie sie reagieren sollte, wenn sie entdeckt wurde. Julia saß an ihrem mit einer
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