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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schwör’s.»
    «Wahrscheinlich hast du über dein Geschmatze gar nichts hören können. Schau dich nur mal an, wie dir das Wurstfett im Bart hängt. Widerlich! Dazu mach ich jede Wette, dass du gestern Abend wieder vergessen hast, das Vorhängeschloss an den Riegel der Schuppentür zu hängen. Wie damals bei diesem Ministranten.»
    Herr, steh mir bei, flehte Serafina innerlich, und lass mich unbemerkt in den Wald entkommen. Verzweifelt hantierte sie an der Tür herum, an der sich von außen auf verhexte Weise der Riegel bewegt und zugezogen haben musste. Immer wieder griffen ihre zitternden Finger durch einen Lattenspalt hinaus, tasteten wieder und wieder nach dem dünnen Eisenstift, wobei ihr verletzter Daumen heftig zu schmerzen begann. Da endlich erspürte sie das Eisen, sie schob und ruckte ein wenig – und der Riegel sprang zurück.
    Sie musste an sich halten, die Tür nicht aufzureißen und sich durch das Quietschen der Angeln zu verraten. In einem Anflug von Geistesgegenwart zog sie die Eisenzange aus ihrer Rocktasche und hielt sie abwehrbereit in ihrer Rechten, während ihre andere Hand vorsichtig die Tür aufzog, bis der Spalt breit genug war. Lautlos huschte sie hinaus – und prallte gegen die breite Brust von Pater Blasius.
    «Genau dich habe ich hier erwartet!» Seine Augen blitzten. «Die überaus neugierige Schwester Serafina.»
    Ohne nachzudenken holte sie aus, um ihm die Zange gegen den geschorenen Schädel zu schlagen, doch tat ihr der Daumen inzwischen so weh, dass sie keinerlei Kraft mehr in der Hand spürte. Die Zange glitt ihr aus den Fingern, und schon hatte Blasius ihr Handgelenk gepackt und ihr unsanft den Arm auf den Rücken gedreht.
    «Au! Lasst mich sofort los!», schrie sie.
    Mit zurückgezogenen Lefzen und drohendem Knurren hüpfte der kleine Hund um Blasius herum.
    «Jetzt ist’s aus mit dir, Hexe! Glaub ja nicht, dass dir dein Gezeter irgendwas nützt. Und diese lächerliche Töle hier, die du als Wachhund mitgebracht hast, schon gar nicht.» Seine Stimme hatte jeglichen Wohlklang verloren. «Und du, Bruder Cyprian, glotz nicht so blöde. Hilf mir lieber, das Weib in die Hütte zu schaffen.»
    Im selben Augenblick schnappte der Hund zu und erwischte den Fußknöchel des Paters.
    «Du Mistvieh!»
    Blasius versetzte ihm einen Tritt, der ihn in hohem Bogen über das Wiesenstück schleuderte. Jaulend floh das Tier in das schützende Walddickicht und blieb dort verschwunden.
    Sosehr Serafina auch um sich trat – gegen die beiden Männer kam sie nicht an. Grob schob Blasius sie vor sich her, bis sie in der schäbigen Hütte des Einsiedlers standen.
    «Was hast du mit ihr vor, Bruder Blasius?»
    «Dasselbe wie mit den anderen Verrätern.»
    Cyprian klappte die Kinnlade herunter. «Dann warst also
du
das und nicht der Herrgott?»
    «Wie einfältig bist du eigentlich, dass du das geglaubt hast?» Er schlug ihm hart gegen den Nacken. «Jetzt verriegel die Tür von innen und schließ die Luke.»
    «Aber dann ist’s ja dunkel.»
    «Du sollst ja auch ein Licht entzünden, du Schafskopf.»
    Serafina erkannte, dass Cyprian nicht weniger zitterte als sie selbst. Endlich hatte er es geschafft, eine Tranlampe zu entfachen, dann schob er den Riegel vor und schloss die kleine Luke.
    «Was jetzt?», stieß sie hervor. In ihren Ohren begann es zu rauschen. «Wollt Ihr mich auch abschlachten? Wie Hannes und Bruder Rochus?»
    «Warum steckst du auch dein freches Näschen in Dinge, die dich nichts angehen? Wir haben dich mehrfach gewarnt, aber du hast nicht hören wollen. Genau wie Bruder Rochus, der uns wie Hannes auf die Spur gekommen ist. Mit einem Beutel Silber für seinen alten Vater haben wir ihn abgefunden, aber er wollte mehr, immer mehr.»
    «Wir? Wer ist wir?»
    «Das geht dich nichts an.» Er drehte ihr auch den anderen Arm auf den Rücken. «Gib mir den Strick von deiner Kutte», befahl er Cyprian.
    Kein Paternoster später waren ihre Handgelenke auf dem Rücken fest zusammengebunden. Inzwischen war ihr schlecht vor Angst. Zugleich aber erwachte ihr Widerstandsgeist. Nein, so schnell würde sie nicht aufgeben.
    «Bald werden Bruder Immanuel und die Ministranten hier sein. Und die ersten Kirchgänger.»
    Blasius lachte auf. «Wir haben genug Zeit für das, was ich vorhabe.» Er wies auf die große Sanduhr, die auf dem Tisch stand. «Auf das Stundenglas dort kann ich mich verlassen. Eines vermag selbst unser Bruder Cyprian, auch wenn er ansonsten nicht mit großen Geistesgaben gesegnet ist:

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