Das Attentat - 0
schlug mit dem Kopf auf den Steinboden.
»Zweil?«, sagte Kilosh, der mehr verblüfft war als alles andere. Er kauerte sich neben seinen älteren Kollegen, tastete nach einem Puls und wollte Hilfe herbeirufen, doch plötzlich ertönte ein Kreischen hinter ihm.
Als er herumfuhr, sah er, dass die Heilige auf die Knie gefallen war. Im Licht der Phosphalampen sah ihr Gesichtsausdruck verängstigt und entsetzt aus. Ihre zitternden Hände tasteten nach dem Blut, das ihr aus der Nase lief.
»Hilfe!«, schrie Kilosh aus vollem Halse. »Helft mir hier unten!«
Von dem Panzer war nur noch ein Haufen geschwärzter Metallfetzen übrig. Dichte blaue Rauchwolken erfüllten die schmale Straße und erschwerten das Atmen. Bonin hustete und würgte, als er zurücklief. In seinen Ohren klingelte es immer noch.
»Milo! Milo!«
Milo lag mit dem Gesicht nach unten in einem Graben und war mit Asche und Gesteinstrümmern bedeckt. Bonin erreichte ihn zugleich mit Alphant. Milo kam zu sich, als sie ihn herumwälzten. Er war wunderbarerweise am Leben und unverletzt.
Aber das Mädchen, das nicht weit entfernt zusammengekrümmt an der geborstenen Bordsteinkante lag, war es nicht. Die Explosion der Panzergranate, die unter ihnen beiden den Boden aufgewühlt und sie in die Luft geschleudert hatte, war ihr nicht gut bekommen. Ihr Genick war gebrochen, und sie war tot.
Alphant stieß einen Schrei der Verzweiflung aus.
Milo hatte noch nichts von alledem gesehen, aber bei diesem Aufschrei zogen sich seine Eingeweide zusammen.
Er stand auf und wusste, lange bevor er ihren Leichnam sah, dass soeben etwas Schreckliches geschehen war. Etwas Gewaltiges, etwas Finsteres und viel mehr als alles Gemetzel und aller Tod und alles Leiden ringsumher.
Etwas Unheiliges.
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VIER
Magnificat
»Ich weiß, was ich da gesehen habe. Und ich weiß, was ich jetzt sehe.«
– Zweil, Ayatani
In den Straßen von Gildenhang in der Stadtmitte war ein rosa-gelber Nimbus zu sehen, der die Dunkelheit über den Nordwest-Ausläufern des Stadtgebiets durchdrang. Einzelne Lichtfunken flackerten in diesem Schein wie geerdete Blitze. Dumpfes Donnern und Krachen, eingepfercht durch den Schalldeckel, den der Stadtschild bildete, drang an ihre Ohren, und Rauch, ebenfalls durch den Schild eingesperrt, ballte sich zu einem dunstigen Dach zusammen wie eine tief hängende Wolke. Den nun sehr hektischen Berichten von Tak-Log zufolge wurde die Stadt von über tausend Feinden mit Panzerunterstützung angegriffen.
Und die Stadt fiel. Zum Teil unter der Wucht des Angriffs und zum Teil unter der Last eines unentrinnbaren Gefühls der Niederlage und des Verlusts, das die Bevölkerung im Laufe der Nachtstunden überkommen hatte.
Viktor Hark konnte es sich nicht erklären, aber er konnte es spüren. Einen Schmerz, ein Gefühl der Desillusionierung, eines entkräftenden Elends. Vielleicht war es das unerwartete Tempo und die Härte des Chaos-Angriffs. Vielleicht war es die allgemeine Erkenntnis, wie brüchig und labil die imperiale Stellung tatsächlich war.
Nicht einmal in seinen schlimmsten Katastrophenszenarien hatte Gaunt damit gerechnet, dass die Lage so rasch eine so drastische Wendung zum Schlechteren erfahren könnte. Hark wusste das mit Sicherheit. Er hatte sehr viel Zeit mit Gaunt verbracht, um die Risiken der kläglichen Abwehrmöglichkeiten der Civitas Beati, die nicht annähernd adäquate numerische Stärke zu ihrer Verfügung und das völlige Fehlen von Vorbereitungszeit abzuschätzen. Es war ein trübes, freudloses Bild, und Gaunt hatte kein Geheimnis aus seiner Furcht gemacht, der Kampf um Herodor werde mit dem Eintreffen der Hauptstreitmacht des Erzfeindes so gut wie vorbei sein.
Doch diese Hauptstreitmacht hatte Herodor noch gar nicht erreicht, und doch schien die Stadt bereits nach einer Nacht kurz vor dem Kollaps zu stehen.
Tak-Log bezeichnete die Angreifer immer noch als »ketzerische Dissidenten«. Hark seufzte, als er das hörte, und zog sich den Hörer aus dem Ohr. Er wollte nicht mehr zuhören.
Die Straßen waren verstopft, von Leuten und von Gejammer. Das war es. Es waren keine Laute des Entsetzens und der Angst, die aus der Menge aufstiegen. Es war Wehklagen.
Hark fuhr in einem schweren Truppentransporter ziemlich weit vorne in einer Verstärkungskolonne. Sie bestand insgesamt aus zwölf Transportern, alle identisch grau lackiert, lang gestreckte Munitoriumsfahrzeuge, und sie kamen überhaupt nur wegen der drei massiven Chimären aus der
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