Das Attentat - 0
Kolea zu Criid. »Ich habe es nur in Verwahrung genommen.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich will es gar nicht. Es ist so verdammt hässlich. Ich bin nur froh, dass es einen Nutzen hatte.«
»Ich würde es gern sehen, wenn ich darf«, sagte Zweil undeutlich. Die Menge machte höflich Platz, um den Doktor und den alten Mann durchzulassen, den er im Rollstuhl schob. Zweil saß in einem merkwürdigen Winkel, und die Hälfte seines Gesichts war eigentümlich schlaff.
»Natürlich, Vater«, sagte Kolea.
»Normalerweise würde ich mich mit solchen Kleinigkeiten nicht abgeben«, sagte Zweil in dem Bemühen, jedes Wort sorgfältig auszusprechen, »aber meine Brüder verlangen, dass auch die winzigste Kleinigkeit im Zusammenhang mit einem Wunder untersucht wird. Das ist die heilige Ordnung der Dinge.«
»Es ist in meinem Rucksack«, sagte Kolea. Er sah die Soldaten an.
»Ich hole es, Sergeant«, sagte Criid. Sie löste sich aus Caffrans fester Umarmung und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
»Was war es für ein Gefühl?«, rief Feygor mit seinem kehlig und monoton klingenden künstlichen Kehlkopf. »Hat es wehgetan?«
»Was denn?«
»Das Wunder, Sie Feth.«
»Ja«, sagte Zweil mit einem Nicken. »Was war es für ein Gefühl, Gol?«
»Das habe ich mich auch gefragt«, fügte Dorden hinzu.
»Na ja …«, begann Kolea.
Hinter ihr gab es viel Gelächter und Gebrüll. Criid schritt die Reihen mit leeren Feldbetten ab. Sie spürte das Lächeln auf ihrem Gesicht. Es wollte nicht verschwinden. Kolea war wieder da. Kolea war wieder da! Das musste der schönste Tag ihres Lebens sein. Zusammen mit dem Tag, als sie zum Sergeant befördert worden war, und dem Tag, als Caffran ihr gesagt hatte, dass er sie liebte.
Ihr war gar nicht klar gewesen, wie sehr sie Kolea vermisst hatte, und sie wusste nur zu genau, dass sie ihm alles verdankte. Ohne ihn wäre sie in den Straßen Ouranbergs gefallen.
Sie fand Koleas Feldbett und durchwühlte seinen Rucksack. Alles war so ordentlich und präzise, alles war gefaltet und gebügelt. Kolea würde sie für das Chaos hassen, das sie in seinem Rucksack anrichtete.
Von der Figur war nichts zu sehen. Sie drehte den Rucksack um und leerte den Inhalt auf die Matratze. Kleidung, Reserve-Magazine, Rasierzeug, Stiefelwichse, ein Päckchen Spielkarten, ein Stapel hololithische Ausdrucke, die in einem vergilbten Umschlag steckten.
Und die Figur. Wirklich ein hässliches Ding. Die grelle Bemalung war noch schlimmer, als sie sie in Erinnerung hatte.
Sie legte die Figur an die Seite und packte Koleas Sachen wieder in den Rucksack. Die Foto-Ausdrucke fielen aus dem alten Umschlag, als sie ihn aufhob.
Sie warf einen Blick darauf.
Ein Mann. Eine Frau. Ein kleiner Junge. Ein Baby. Gruppenfotos, Einzelaufnahmen. Ein Vater mit einem Neugeborenen auf dem Arm. Eine Mutter und ihre Kinder.
Der Mann war Gol Kolea. Jünger natürlich. Sauberer. Ein Bild zeigte ihn als Grubenarbeiter.
Plötzlich stutzte sie.
Sie waren zwar Jahre jünger, aber sie erkannte die Gesichter der Kinder. Dalin und Yoncy. Und die Mutter. Sie hatte die Mutter nur ein paar kurze Minuten lang gesehen, im Bahnhof C4/a in der Vervunmakropole. Criid hatte ihr mit ihrem Jungen und dem Kinderwagen helfen wollen. Dann waren die Granaten eingeschlagen.
Gak! Sie hatte diese Frau sterben sehen, diese Frau auf den Bildern. Die Mutter der Kinder, die Criid nun als ihre eigenen betrachtete.
Was um alles in der Welt machten diese Bilder in Gol Koleas R …
»Nein«, sagte sie. »Heiliger Imperator, nein!«
Sie stand auf und fiel zu Boden, wobei sie den offenen Rucksack vom Feldbett riss. Koleas Zeug fiel auf den Boden. Sie kroch auf dem Boden herum, sammelte die Sachen wieder ein und stopfte sie in den Rucksack.
Eine Alarmsirene fing so laut an zu heulen, dass sie zusammenfuhr.
»Tut mir Leid, dass ich die Gesellschaft auflösen muss, Mädels«, rief Rawne, der nicht so klang, als täte es ihm Leid. Er schob sich durch die Menge der Geister rings um Kolea. Sirenen heulten.
»Wir bekommen Arbeit. Der Erzfeind ist in der Umlaufbahn und landet, und wir rechnen mit Massenangriffen in der nächsten Stunde. Zieht euch an, holt eure Ausrüstung und macht euch fertig. Wenn ihr gläubig seid, bittet den Gott-Imperator um seinen Segen. Wenn ihr Laien seid, nehmt den Kopf zwischen die Beine und gebt eurem verdammten Arsch einen letzten Kuss. Es wird ernst.«
Die Menge der Geister löste sich sofort auf. Soldaten liefen zu ihren Feldbetten,
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