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Das Attentat

Das Attentat

Titel: Das Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Samtpfoten um sie herum?«
    »Ich hab meinen Teil schon abgekriegt«, sagte Anton.
    Auf der Veranda wurde ein Plattenspieler angestellt:

    Thanks for the memory…

    Er lächelte, aber als er sah, daß der andere die Koinzidenz nicht bemerkte, zuckte er die Schultern und ließ ihn stehen. Die Musik und der sonnenwarme Schatten unter den Bäumen vermischten sich zu einer Stimmung, in der die Erinnerungen auf einmal glühend heiß wurden. Er war in Haarlem. Es war ein warmer Spätsommertag, vielleicht der letzte des Jahres, und er war wieder in Haarlem. Er durfte nie wieder zurückkommen, nicht einmal für hunderttausend Gulden Jahresgehalt würde er zurückkommen – aber da er nun einmal hier war, wollte er endgültig Abschied nehmen: jetzt sofort.
    »Und Sie, junger Mann?«
    Er erschrak und sah in das Gesicht des Gastgebers. Ein kleiner Mann mit zur Seite gebürsteten Haaren und in einem schlecht sitzenden Anzug mit zu kurzen Hosenbeinen, wie er damals in bestimmten Kreisen der besseren Gesellschaft getragen wurde. Neben ihm stand seine Frau, eine grazile Dame mit krummem Rücken, sie war ganz in Weiß gekleidet und sah so zerbrechlich aus, als könnte sie jeden Augenblick zu Staub zerfallen.
    »Ja, Herr van Lennep«, sagte Anton mit einem Lächeln, obwohl er nicht wußte, wovon gerade die Rede war.
    »Amüsieren Sie sich?«
    »Ich gebe mir Mühe.«
    »Das freut mich. Sie sehen ziemlich mitgenommen aus, junger Mann.«
    »Ja«, sagte er. »Ich glaube, ich werd jetzt mal um den Block gehen. Nehmen Sie's mir nicht übel…«
    »Wir nehmen hier nie jemandem etwas übel. Freiheit über alles! Gehen Sie ruhig, und atmen Sie mal richtig tief durch. Das tut gut.«
    Anton ging an teetrinkenden Familienmitgliedern auf weißen Gartenstühlen vorbei ins Haus und durch die Haustür auf die Straße. Er bog in eine Seitenstraße ein und lief dann am Teich entlang. Als er am gegenüberliegenden Ufer war, sah er hinüber zur Party auf dem Rasen; die Musik, die über das Wasser herübergeweht wurde, war hier noch deutlich zu hören. In diesem Augenblick bemerkte ihn Gerrit-Jan.
    »Hee! Steenwijk, alter Feigling, das Rekrutierungsbüro liegt in der anderen Richtung!«
    Mit den Händen machte Anton eine Gebärde, die zeigen sollte, daß er den Scherz gelungen fand.
    Danach schaute er sich nicht mehr um.
    Er schlug nicht den Weg über die Felder ein, sondern ging die Landstraße entlang und nach der Biegung die Uferstraße hinunter. Es ist nicht gut, was du machst, dachte er, es ist ganz und gar nicht gut, was du da machst. »Der Verbrecher kehrt zum Ort seines Verbrechens zurück.« In seiner Erregung erkannte er plötzlich das Fischgrätmuster wieder, in dem die Pflastersteine gelegt waren. Früher war ihm das nie aufgefallen, aber da er es nun sah, wußte er, daß es immer so gewesen war. Als er an den Kanal kam, zwang er sich, das gegenüberliegende Ufer nicht aus den Augen zu lassen. Die Arbeiterhäuschen, die kleinen Bauernhöfe, die Mühle, alles war unverändert. Die Wolken waren verschwunden, die Kühe grasten still in der Nachmittagssonne. Hinter dem Horizont lag Amsterdam, das er nun besser kannte als Haarlem (besser in dem Sinne, wie man das Gesicht eines anderen besser kennt als das eigene, denn das hat man nie gesehen).
    Er überquerte die Uferstraße, ging auf dem Bürgersteig, der inzwischen entlang der Böschung angelegt worden war, ging ein Stück weiter und wendete dann erst mit einem Ruck den Kopf in die andere Richtung.

3
    Die drei Häuser. Eine Lücke zwischen dem ersten und dem zweiten; wie ein Gebiß, in dem ein Zahn fehlt. Nur der Zaun stand noch. Er umgab eine dichte Wildnis von Brennesseln und Sträuchern, zwischen denen einige schlanke Bäume standen, wie sie auf Gemälden des sechzehnten Jahrhunderts zu sehen sind (Bilder mit einem Engel auf einem Hügel und einer Krähe, die bösartig auf ein spukendes Männlein starrt). Auf dem Grundstück wuchs viel mehr Unkraut als auf dem freien Feld dahinter, vielleicht hatte die Asche den Garten so fruchtbar gemacht. Er mußte an eine Geschichte seines Onkels denken, der erzählt hatte, daß es in den Hügeln von Nordfrankreich Stellen im Ackerland gab, um die die Bauern herumpflügten, weil sie dort Massengräber aus dem Ersten Weltkrieg vermuteten. Im Schatten unter den Brennesseln mußten noch Steine sein, Mauerbrocken, die Grundmauern, und unter der Erde der Keller: sein alter Roller gestohlen, der Keller mit Schutt zugeschüttet. Es hatte hier all die Jahre so

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