Das Attentat
heißt.«
»Faschist sein gegen die Faschisten…«, wiederholte Anton. »Das geht nicht auf lateinisch. Fasces heißt ›Liktorenbündel‹. ›Liktorenbündel sein gegen die Liktorenbündel‹, das klingt blöd.«
»Da haben wir's wieder«, sagte Takes. »Truus hat das auch nicht gefallen. Ihrer Meinung nach mußte ich aufpassen, daß ich nicht wie die anderen wurde, denn dann würden sie mich auf diese Art niedermachen. Ja, sie war eine Philosophin, Steenwijk, allerdings eine Philosophin mit einer Pistole.«
Er ging zum Wäscheschrank, bückte sich, zog eine Schublade auf, legte eine große Pistole auf den Tisch und kam wieder zurück, als sei nichts geschehen.
Erschrocken starrte Anton auf das grauschwarze Instrument, das plötzlich dort drüben lag. Es strahlte eine derartige Bedrohung aus, daß es den Tisch zu verbrennen schien. Er hob den Kopf.
»Ist das ihre Pistole?«
»Das ist ihre Pistole.«
Unbeweglich lag das Ding auf der Tischplatte, wie ein Relikt aus einer anderen Kultur, das bei Ausgrabungen ans Tageslicht gekommen ist.
»Hat sie damit auf Ploeg geschossen?«
»Und getroffen!« sagte Takes, wobei er stehenblieb und den Zeigefinger auf Anton richtete. Er schaute eine Weile auf die Pistole, schien aber mehr und mehr etwas anderes zu sehen. »Ich habe mich sehr dumm angestellt, an dem Abend«, sagte er halb zu sich selbst. »So gut es eben ging, fuhren wir Hand in Hand nebeneinander bei euch durch die Uferstraße, ganz langsam, wie ein verliebtes Pärchen. Das heißt… was mich betrifft, war es ja auch so. Wir ließen uns von ihm überholen, wobei er uns kurz ansah. Ebenfalls guten Morgen! rief Truus noch fröhlich, und er lächelte ein bißchen zurück. Dann fuhr ich vor. Ich hatte mir vorgenommen, ihm sofort den Rest zu geben, aber es war glatt, ich mußte mit einer Hand den Lenker loslassen, um die Pistole aus der Tasche zu ziehen, und dabei kam ich ein bißchen ins Rutschen. Ich schoß ihm in den Rücken und gleich danach in die Schulter und in den Bauch, aber ich sah sofort, daß ich Mist gebaut hatte. Während er zu Boden stürzte, wollte ich es noch einmal versuchen, aber meine Pistole hatte Ladehemmung. Ich fuhr schnell weiter, um Platz für Truus zu machen. Als ich mich umschaute, sah ich, daß sie sich mit der Fußspitze auf dem Bürgersteig abstützte und sorgfältig zwischen seine Schulterblätter zielte; er lag ganz gekrümmt da, den Kopf unter den Armen verborgen. Sie schoß zweimal, steckte die Pistole in die Tasche und fuhr schnell weiter. Sie war offensichtlich der Meinung, er sei tot, aber ich sah, wie er sich halb aufrichtete. Ich schrie, daß sie aufpassen sollte, sie trat in die Pedale, und dann schoß er – und zufällig traf er sie auch. Irgendwo unten in den Rücken.«
Es war, als wäre die Pistole auf dem Tisch ein Gewicht, das Anton in die Tiefe der Vergangenheit zog. So vollständig er vergessen hatte, was sich später in der Zelle abspielte, so deutlich erinnerte er sich an den letzten Abend zu Hause. Die Schüsse, und dann die verlassene Uferstraße mit Ploegs Leiche. Selbstverständlich hatte er immer gewußt, daß kurz zuvor auch andere Menschen dort gewesen sein mußten, aber in erster Linie aus rein logischen Gründen, erst jetzt wurde es Wirklichkeit. Den Schrei, den er gehört hatte, hatte also nicht Ploeg ausgestoßen, sondern Takes. Er hätte schwören können, daß es ein Schrei aus Todesangst gewesen war.
Im Aschenbecher neben der Pistole fing es an zu schwelen.
»Und dann?« fragte er.
»Und dann… und dann… und dann…«, sagte Takes, wobei er einen seltsamen Tanzschritt machte. »Und dann kam ein Elefant mit einem großen Rüssel, und der blies das Märchen aus. So ging es nicht weiter. Ich habe noch versucht, sie auf meinen Gepäckträger zu heben, wir wollten uns irgendwo in den Sträuchern verstecken. Aber als die Deutschen kamen, schrie ihnen eine Frau aus einem Fenster zu, wo wir waren. Sie gab mir ihre Pistole und einen Kuß, und das war's dann. Noch ein bißchen rumballern, und dann nichts wie weg. Später habe ich auf eigene Faust versucht, mir das Weib vorzunehmen, bevor der Krieg zu Ende war, aber das hat nicht geklappt. Die läuft noch immer irgendwo rum, als liebe Oma.«
Er nahm die Pistole vom Tisch und wog sie in der Hand wie ein Antiquitätenhändler ein kostbares Schmuckstück. »Hiermit hätte ich sie gern angesprochen… Guten Abend, gnädige Frau, wie geht es Ihnen? Alles in Ordnung zu Hause? Mit den Kindern auch?« Er legte
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