Das Attentat
brauche, ist
ein Stempel mit >Findelkind< drauf«, brummte sie. »Ich gehe jetzt besser
für den Fall, daß ich vom Haus aus beobachtet werde. Hals- und Beinbruch, Al.«
Das Geräusch ihrer Absätze
entfernte sich über den gepflasterten Hof in Richtung des Hauses. Als Greta die
Marmorstufen emporstieg, klangen die Absätze heller. Ich konnte schwach die
Stimme des Butlers hören und dann das Geräusch der sich schließenden Haustür.
Nachdem ich langsam bis dreißig
gezählt hatte, schob ich die Finger unter den Deckel des Kofferraums und hob
ihn an. Der Deckel sprang mit lautloser Präzision auf, und ich fühlte mich
nackter als Lady Godiva , als der Wind ihr Haar nach
hinten wehte. Ich kletterte hinaus, schloß den Deckel wieder und lauschte
angestrengt. Es war nichts zu hören, was gut war — wenn jemand gerufen hätte,
wäre Wheeler an Ort und Stelle infolge eines Herzanfalls tot zusammengebrochen.
An einer Seite der Marmorstufen
wuchs dichtes Gebüsch. Ich legte die Distanz dorthin in drei Sekunden zurück
und verkroch mich dahinter. Dann stäubte ich von Busch zu Busch wie der Inhalt
einer Dose Insektenspray, bis ich schließlich zur Rückseite des Hauses kam. Es
dauerte lange, bis ich dort angelangt war. Es war kein Witz gewesen, als ich
Grossmans Haus als Palazzo bezeichnet hatte. Es hätte gut für zwei Palazzi
gereicht — je einen >Er< und eine >Sie<-Palast für ein Königspaar,
dessen Ehe um jenes erste königliche Erröten ärmer geworden war. Die Fenster,
an denen ich vorüberkam, hatten eins gemeinsam: Sie waren von außen vergittert.
Als ich um die letzte Ecke bog,
hatte ich Glück — ein Wachmann patrouillierte am hinteren Teil des Hauses
entlang. Aber er wandte mir den Rücken zu und ging in entgegengesetzter
Richtung. Ich warf mich hinter dem nächsten Busch auf den Boden und wartete mit
tiefgefrorenen und für die nächste Blutbank verwendungsbereiten roten
Blutkörperchen ab. Der Wachmann war beim anderen Ende des Hauses angelangt,
drehte sich um und kam zurück.
Seine Schritte wurden lauter
und lauter, als er sich dem Gebüsch näherte. Etwa zwei Meter weit entfernt
blieb er plötzlich stehen. Meine Nervenenden vibrierten wie Elvis Presleys
Gitarre, bis ich sah, wie er ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche nahm und
sich eine davon in den Mund steckte. Während er nach einem Zündholz in den
Taschen herumfummelte, sprang ich ihn von hinten an und verpaßte ihm einen Genickschlag. Er sackte auf dem Boden zusammen, und ich fragte mich,
ob ich ihm das Genick gebrochen hatte; aber er atmete noch, und so kam ich zu
der Vermutung, daß dem nicht so war.
In seiner Tasche befand sich
ein Schlüsselbund, den ich in die meine beförderte. Ich zog ihm erst die
Pistole aus seiner Halfter, hatte dann einen besseren Einfall, zog ihm seine
Uniformjacke aus und legte die Halfter um.
Die Uniform paßte mir einigermaßen, bis auf eine gewisse Weite um die Taille, die aber mit Hilfe
des Gürtels behoben wurde. Ich rammte mir die Schildmütze auf den Kopf, wobei
ich mir das Schild tief in die Augen zog, und dann blieb nur noch ein Problem
zu lösen: Was, zum Kuckuck, sollte ich bloß mit dem Wächter anfangen?
Schmerzlich war, daß die
einzige passable Lösung meinen fast neuen Anzug kostete. Aber, wie die Strip- Tease -Tänzerin zu sagen pflegte, einer abgelegten Hülle
eine Träne nachzuweinen, ist verlorene Zeit.
Mit den Hosen band ich fest
seine Füße zusammen, und die Jacke benutzte ich dazu, um ihm die Handgelenke
hinter den Rücken zu fesseln. Ein Taschentuch diente als Knebel, und dann
schleifte ich ihn hinter den Busch.
Langsam ging ich an der
Hinterseite des Hauses entlang, bis ich die andere Ecke erreichte, drehte mich
um und kehrte zurück. Ich entdeckte eine halbgeöffnete Tür, und ich fragte mich
eben, ob ich wirklich solches Glück hatte, als aus dem dahinterliegenden Raum
Licht herausströmte.
Ich war noch etwa drei Meter
weit von der Tür entfernt, als plötzlich von innen eine Stimme »He, Joey!«
herausrief. Wäre der Gürtel nicht gewesen, wäre ich bestimmt aus der Uniform
herausgefahren.
»Hm?« brummte ich vorsichtig.
»Es steht Kaffee auf dem Herd«,
sagte die Stimme. Sie war weiblich und klang fett und barsch. »Trink ihn, wann
du magst — ich gehe jetzt ins Bett.«
»Okay, danke«, brummte ich. Die
Stimme mußte die der Köchin sein, und solange es sich strikte um eine
Information und nicht um eine Aufforderung handelte, der Joey Folge zu leisten
hatte, war alles
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