Das Attentat
können Sie zu Ihrer Schwester nach Hause.«
»Sie wird vor Angst um mich
halb tot sein«, wiederholte sie dumpf.
»Was ist denn an diesem
Samstagabend passiert, nachdem Sie den Drugstore verlassen hatten?« fragte ich.
Sie schauderte und zog den
Mantel enger um sich. »Ich war erst einen halben Häuserblock weit gegangen, als
neben mir ein Wagen an den Gehsteig fuhr und zwei Männer ausstiegen. Sie
packten mich und zerrten mich auf den Rücksitz. Einer von ihnen hielt mir die
Hand vor den Mund, so daß ich nicht schreien konnte. Das nächste, was ich weiß,
ist, daß sie mich in dieses verrückte Haus brachten, in ein Zimmer sperrten und
mich dort ließen.
Es dauerte ungefähr eine
Stunde, bis jemand kam, und das war Mr. Walker. Ich verlangte, er solle mich
gehen lassen, und er lächelte nur und sagte, ich sei ein glückliches Mädchen,
denn Martin Grossman interessiere sich für mich, und wenn ich eine Weile in
diesem Haus bliebe, bekäme ich einen Haufen Geld und Geschenke von ihm.
Ich sagte ihm, er sei verrückt,
und wenn er mich nicht sofort wegließe, ginge ich geradewegs zur Polizei;
sobald ich hinauskäme, würde ich der Polizei erzählen, was geschehen sei — daß
ich von der Straße weg entführt worden sei! Aber er stand nur da und lachte. Er
sagte, ich käme niemals aus dem Haus hinaus, es sei denn, Mr. Grossman wolle
mich gehen lassen. Dann verschwand er, und zwei Minuten später kam diese
schreckliche Frau ins Zimmer.«
»Schreckliche Frau?« fragte
ich. »Ich wußte nicht, daß Grossman sich mehr als ein Mädchen auf einmal in
seinem Haus hält?«
»Sie war kein Mädchen«, sagte
Lily heftig, »um Fünfundvierzig herum und eine Hexe — ganz in Schwarz
gekleidet. Gleich beim erstenmal brachte sie mir
diesen verrückten Aufzug, in dem ich jetzt herumlaufe, und befahl mir, das
alles anzulegen, bevor Grossman mich besuchte. Ich erklärte ihr, sie sei nicht
bei Trost, wenn sie glaubte, daß ich mir praktisch nichts anzöge außer
Diamanten. Aber da packte sie mich und riß mir einfach die Kleider vom Leib!
Sie war stark wie ein Pferd und sah auch genauso aus, diese Kuh!«
»Nachdem sie Ihnen also die
Kleider vom Leib gerissen hatte«, sagte ich versonnen, »was dann?«
»Sie schlug mich«, sagte Lily.
»Sie erklärte mir, ich müsse nett zu Grossman sein, sonst...« Sie blickte
mißtrauisch zu mir auf. »Macht Ihnen das vielleicht Spaß?«
»Süße«, versicherte ich ihr
schnell, »mein Herz blutet. Hat Grossman Sie danach besucht?«
»Und ob!« schnaubte sie.
Das Telefon unterbrach unsere
Unterhaltung, und ich fragte mich, ob ich mich melden sollte, kam dann aber zu
dem Schluß, daß mir gar nichts anderes übrigblieb. Es konnte Bryan sein, der da
anrief.
»Al?« fragte eine heisere
Stimme, als ich den Hörer abhob. »Wann kriege ich meinen Wagen zurück?«
»Greta«, sagte ich mit Wärme.
»Wie nett von Ihnen, anzurufen.«
»Sie waren einfach eine Wucht!«
Sie gurgelte vor Lachen. »Als Grossman und Walker dahinterkamen, was
vorgefallen war, konnten sie mich gar nicht schnell genug loswerden: Sie ließen
mich in Grossmans Rolls Royce durch einen Chauffeur nach Hause bringen. Es war
wirklich ein Erlebnis. Der Fahrer erklärte mir, daß der Wagen, wenn man den
Motor auch nur im geringsten höre, sofort zum Leisestimmen in die Fabrik zurückgeschickt würde. Was haben Sie erreicht, Al?«
»Ich habe das Kind
geschaukelt«, sagte ich bescheiden.
»Das ist wundervoll. Ist sie
okay? Lily meine ich?«
»Es geht ihr gut.«
»Ich freue mich für sie«, sagte
Greta mit Wärme. »Sie werden im Augenblick beschäftigt sein, deshalb will ich
nicht noch mehr von Ihrer Zeit stehlen. Kommen Sie, wenn Sie eine Minute Zeit
haben, Al. Machen Sie sich keine Gedanken wegen des Wagens — ich kann ja Ihre
Wanze benutzen, die Sie hier zurückgelassen haben.«
Ich legte auf und kehrte zu
Lily Teal zurück. »Sie wollten mir von Martin
Grossman erzählen?«
»Der Rest war ein Alptraum.«
Sie zuckte lustlos die Schultern. »Dieser Grossman ist einfach irre — hält sich
für einen römischen Kaiser oder so etwas. Es war, als wenn man das wirkliche
Opfer in einer Spukgeschichte wird.«
»Die Sorte, die wegen
Jugendgefährdung nicht verkauft werden darf«, bestätigte ich. »Kinderreime sind
freilich besser, die moralischen wenigstens. Wie zum Beispiel der, in dem die
Farmersfrau chirurgische Eingriffe bei kurzsichtigen Mäusen praktizierte. Haben
Sie jemals so was im Leben gesehen?«
»Sind Sie bei Trost?«
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