Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
aufzudrängen versuchten. Diesem Trieb – der Habgier, wenn Ihr so wollt – war es zuzurechnen, daß die Katastrophe vor Riva dermaßen verheerende Ausmaße annahm.
Beim ersten Angriff der Legionen auf das Stadttor machten die Rivaner einen Ausfall und vernichteten nicht nur systematisch die fünf Legionen, sondern auch jedes einzelne Schiff im Hafen. Die Verluste an Menschenleben und Handelsgütern waren unschätzbar. Als Ran Borune XXIV. in Tol Honeth davon Nachricht erhielt, wollte der letzte Borune-Kaiser in einem Anfall rasender Wut die gesamte Streitmacht des Reichs gegen die Rivaner werfen. Er wurde jedoch jäh von einer schroffen Note des cherekischen Botschafters zur Besinnung gebracht. »Majestät«, lautete sie.
»Wisset, daß Alorien keinen Angriff auf Riva hinnehmen wird. Die Flotten Chereks, deren Masten so zahlreich sind wie die Bäume im Wald, werden über Eure Flotille herfallen, und die Legionen Tolnedras werden von der Landspitze Arendiens bis in fernste Gegenden des Meers der Stürme als Fischfutter dienen. Die Bataillone Drasniens werden gen Süden marschieren, alles auf ihrem Weg niederwalzen und Eure Städte belagern. Die Reiter Algariens werden über die Berge fluten und Euer Reich von Süden nach Norden mit Feuer und Schwert verheeren.
So wisset denn: An dem Tag, da Ihr Riva angreift, werden die Alorner Euch mit Krieg überziehen. Ihr werdet gewiß zugrunde gehen, und Euer Reich mit Euch.«
Bestürzt über die schreckliche Endgültigkeit der Note, besann Ran Borune sich eines Besseren. Das Überfliegen des Dokuments, in dem die genauen Bestimmungen der Vereinbarungen von Val Alorn niedergelegt waren, brachte eine Klausel zu Tage, die bislang als leere Wortklauberei gegolten hatte, deren wahre Bedeutung nun jedoch erschreckend klar wurde. Die Klausel ›doch Alorien wird Riva jederzeit unterstützen und es unversehrt erhalten‹ offenbarte die Tatsache, daß die alornischen Königreiche in eine Art Konföderation oder Überstaat eingebunden waren. So kam es, daß ein Vertrag mit Cherek keineswegs auch ein Vertrag mit Alorien war; und wenn Cherek auch versprochen hatte, keinen Krieg gegen Tolnedra zu führen, so hatte Alorien kein solches Versprechen abgegeben. Mit Mühe könnten die Legionen einen erfolgreichen Krieg gegen eins der alornischen Königreiche führen, doch wenn diese Königreiche sich zusammenschlossen, waren sie unbesiegbar. Und so kam es, daß der Plan einer Strafexpedition gegen die Rivaner rasch fallengelassen wurde.
Mit der Zeit rückten die Rivaner ein wenig von ihrer starren Haltung ab und erlaubten den Bau einer Handelsenklave vor den Stadtmauern, und die Kaufleute des Westens waren gezwungen, sich mit diesem einen Zugeständnis zufrieden zu geben, wenn auch zähneknirschend.
So endete die ERSTE BORUNISCHE DYNASTIE. Ihre Errungenschaften waren im wahrsten Sinne des Worte schwindelerregend, und wenn sie auch mit einem etwas demütigenden Akkord ausklang, so ist sie nichtsdestotrotz eine der mächtigsten Dynastien in der gesamten Geschichte des Reichs gewesen.
DIE DRITTE HONETHITISCHE DYNASTIE
3155 – 3497 (342 Jahre, 17 Kaiser)
Das Gerangel um den Thron am Ende der ERSTEN BORUNISCHEN DYNASTIE bezeichnete den Tiefpunkt der tolnedrischen Politik. Bestechung genügte nicht mehr, und die miteinander konkurrierenden Kandidaten kauften offen die Stimmen des Konzils. Darüber hinaus wurde weithin vermutet (und allgemein als wahr erachtet), daß sie sich sogar zu Mord herabließen, um ihr Ziel zu erreichen. Die Mehrheit im Konzil wechselte ständig, da Mitglieder, deren Stimme durch den einen oder anderen Kandidaten gekauft worden war, ziemlich plötzlich erkrankten, aus unerfindlichen Gründen starben und ihre Ersatzmänner schamlos gekauft wurden, bevor sie noch Tol Honeth erreicht hatten. Der Einzug von nyissanischen Giften in die tolnedrische Politik war erschreckend deutlich.
Am Ende siegten die Honethiter – nicht aufgrund besonderer Tugenden, sondern weil sie die reichste Familie waren und sich die meisten Stimmen kaufen konnten.
Der vielleicht sprechendste Beweis für die Unfähigkeit der Honethiter offenbart sich darin, daß während der gesamten Dauer der DRITTEN HONETHITISCHEN DYNASTIE nicht eine einzige Vereinbarung und kein einziger Vertrag mit einer fremden Macht geschlossen wurde, der die Position des Reichs verbessert hätte. In der Tat könnte man im Hinblick auf die Nördlichen Vereinbarungen zwischen Drasnien und Gar og Nadrak, welche die
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