Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
zum letzten rivanischen König zu reichen, Gorek dem Weisen, der 4002 durch Handlanger der nyissanischen Königin ermordet wurde. Diese ununterbrochene Thronfolge macht sie zur langlebigsten Dynastie in der Geschichte aller zwölf Königreiche, die allem Anschein nach fast zweitausend Jahre lang existierte. Wahrscheinlich ihrem Nationalcharakter entsprechend haben die Rivaner keine Bündnisse mit einem der anderen zwölf Königreiche geschlossen und sich beharrlich geweigert, Handelsabkommen mit den Abgesandten des tolnedrischen Kaiserreichs zu unterzeichnen. Diese unbegreifliche Sturheit war eine Quelle nicht enden wollender Enttäuschung für Generationen tolnedrischer Diplomaten und ein stetes Ärgernis für zwei ganze tolnedrische Dynastien.
Nach den Vereinbarungen von Val Alorn im Jahre 3097 wurden Anstrengungen unternommen, normale Handelsbeziehungen mit den Rivanern einzugehen, jedoch ohne Erfolg. Schließlich befahl Ran Borune XXTV im Jahre 3137 jenen katastrophalen Angriff auf die Insel, der das Tor der Festung mit Gewalt öffnen sollte. Das Abenteuer endete, wie wir alle wissen, in einer schrecklichen Katastrophe. Vorbereitungen für einen Totalangriff Tolnedras auf die Insel wurden getroffen, bis die berühmt gewordene Note des cherekischen Botschafters den Kaiser davon überzeugte, dieses Vorhaben aufzugeben.
Mit der Zeit stimmten die Rivaner, wenn auch widerwillig, der Errichtung einer Handelsenklave vor den Mauern der Stadt zu; anreisende Kaufleute waren gezwungen, sich mit diesem einzigen Zugeständnis zufrieden zu geben.
Es war Brauch, nie einen Kaufmann oder Gesandten in die Stadt selbst hereinzulassen, erst recht nicht in die Festung inmitten der Stadt. *
Jedoch werden zwei Ausnahmen gemacht: Die erste ist der Alornische Rat, der einmal alle zehn Jahre tagt und in dessen Verlauf die Könige von Algarien, Drasnien, Cherek und mitunter auch Sendarien (sofern der sendarische König zufällig Alorner ist) nach Riva reisen und – allein – in den rivanischen Thronsaal geführt werden, wo sie dem rivanischen Wächter Bericht über ihre Suche nach dem Erben des rivanischen Throns erstatten, wie Gerüchte besagen. Die andere Ausnahme von dieser Regel steht in Zusammenhang mit der demütigenden Übereinkunft von Vo Mimbre, welche verlangt, daß jede tolnedrische Prinzessin sich an ihrem sechzehnten Geburtstag für einen Zeitraum von drei Tagen in ihrem Hochzeitsgewand vor dem rivanischen Thron präsentiert.
ANMERKUNG
Tolnedrische Prinzessinnen haben über die letzten fünfhundert Jahre nach der Schlacht von Vo Mimbre hinweg übereinstimmend berichtet, daß die gesamte Stadt Riva wenig mehr als eine mauerbewehrte Verteidigungsstellung ist, deren einzelne Häuser vorspringende Winkel, Bastionen, Bollwerke und Ähnliches bilden, und daß die Straßen so angelegt sind, daß sie von jeder der übereinandergestaffelten Reihen dickwandiger Häuser eingesehen werden können, so daß feindliche Angriffe nahezu unmöglich sind. Zudem bestehen die Dächer aller rivanischen Häuser aus Schiefer; in der Stadt selbst steht nichts Brennbares offen herum. Die Festung besteht aus einem einzelnen Turm mit unerhört dicken Mauern und nur einer einzigen schmalen Eisentür. Der Thronsaal soll eine sehr große Halle sein, muffig und unbenutzt; in diesem Saal steht der rivanische Thron, ein mächtiger Sitz aus schwarzem Basalt, in dessen Rückenlehne ein rostiges Schwert mit der Spitze nach unten eingesetzt ist, welches einen großen, gräulichen Knaufstein besitzt – möglicherweise irgendein Artefakt oder Erinnerungsstück aus dem urzeitlichen Dämmer der rivanischen Vergangenheit.
Diese fremdenfeindliche Beschränkung wurde merklich gelockert, während diese Zeilen entstanden.
Die ersten tausend Jahre ihrer Geschichte verbrachte die Insel der Stürme in selbstgewählter Isolation, abgeschnitten von jeglichem Kontakt mit der zivilisierten Welt. Aus größtenteils unbekannten Gründen hielten cherekische Kriegsschiffe eine ununterbrochene Blockade des Hafens von Riva aufrecht, die es keinem Schiff einer anderen Nation erlaubte, dort anzulegen. In der Überzeugung, auf der Insel befänden sich gewaltige Reichtümer, bedrängten tolnedrische und sendarische Kaufleute den Kaiser in Tol Honeth mehrere Generationen lang, die cherekischen Alorner zum Aufheben ihrer Blockade zu zwingen. Dieses Ziel wurde in den Vereinbarungen von Val Alorn im Jahre 2097 endlich erreicht, und eine Horde tolnedrischer und sendarischer
Weitere Kostenlose Bücher