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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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dachte, Sie wüssten mehr, als Sie zugeben. Jetzt wissen Sie mehr.“
„Ich hab den Dolch nicht. Falls es das ist, was Sie wollen.“
„Alles wissen Sie offenbar nicht. Dabei war der letzte Brief Ihrer Eltern sehr aufschlussreich. Sie haben ihn wohl nicht aufmerksam genug gelesen.“
Dieser Schweinehund hatte ihn also doch in den Fingern gehabt.
„Vielleicht ist es Ihnen auch nur entgangen, weil Sie sich nicht im gleichen Maß mit dem Thema auseinandersetzen wie ich.“
„Klären Sie mich auf. Wo wir hier doch gerade die Ebene vertrauensvoller Zusammenarbeit erreicht haben.“
„Aber gern. Wie Sie wissen, haben Ihre Eltern Nahtod-Patienten untersucht. Später entdeckten sie, dass sich die dabei ablaufenden, chemischen Prozesse im Gehirn denen ähneln, die bei Schamanen in Trance auftreten.“
Kavenay begann, die Fläschchen auf dem Tisch nach einem undurchsichtigen Muster zu ordnen.
„Sie haben sie sehr gewissenhaft dokumentiert. Erst das erlaubte mir, diese kleinen Lieblinge hier zu entwickeln. Mit ihnen kann ich diese chemischen Prozesse imitieren.“
„Von was, zum Donnerwetter, reden Sie da?“
„Nahtod-Patienten treten an die Schwelle des Todes. Schamanen überschreiten sie. In ihrem Brief erwähnten Ihre Eltern dieses spezielle Ritual, bei dem ich, weiß Gott, gern dabei gewesen wäre.“
Aus verschiedenen Flaschen zog er Flüssigkeiten auf die Einwegspritzen.
„Und exakt das versuche ich mit meiner Reihe zu simulieren. Ich bin ein wenig weiter gekommen inzwischen. Aus den Nahtod-Erfahrungen meiner Probanden mache ich Nachtod- Erfahrungen.“
ADE. AfterDeathEncounters.
„Und Sie glauben ernsthaft, dieser Quatsch funktioniert?“
„Ich hoffe es. Bislang tritt da noch die eine oder andere Schwierigkeit auf. Anders als bei den lustigen Voodoo-Jungs aus dem Urwald. Denn da liegt der Kern. Ihre Eltern wussten es. Es gibt besonders befähigte Schamanen, eine Elite, sozusagen.“
Die Spritze gegen das Licht haltend überprüfte Kavenay, ob der Kolben Luftbläschen enthielt.
„Dieser Elite“, führte er weiter aus, „ist ein geheimer Ritus bekannt. Eine Trance, mit der sie unvorstellbar weit in den jenseitigen Bereich vordringen können.“
Auch die gefüllten Spritzen ordnete Kavenay in eine Reihe.
„Aus Gründen, die mir noch nicht bekannt sind, kann dieses Ritual nur an einem bestimmten Ort stattfinden. Nennen wir es der Einfachheit halber ein Tor, eine Schwelle, den Übergang ins Jenseits, möglicherweise.“
„Die Pagode des Schwarzen Buddha“, entfuhr es Leonard, ohne es beabsichtigt zu haben.
„Ja, das könnte sein. Diese Bezeichnung ist mir begegnet. Der gute Doktor Pathom hatte in der Richtung einiges ausgegraben. Viel Hokuspokus, aber auch ein Körnchen Wahrheit.“
Kavenay kam Leonards Einwand zuvor und wehrte mit beiden Händen ab.
„Nein, nein. Den hat sich ein anderer vorgenommen. Ich gebe zu, ich habe versucht, ihn zu einer Unterredung einzuladen. Er schien nicht interessiert. Als ich es ein weiteres Mal versuchen wollte, lag er schon im Leichenschauhaus.“
Kavenay besaß keinen Grund, zu lügen, das wusste Leonard. Garantiert hatte er einige Menschen auf dem Gewissen. Aber er bediente sich ausgefeilterer Methoden, als nachts durch dunkle Straßen zu schleichen und seinen Opfern mit Wurfgeschossen die Kehle zu durchschneiden.
„Ich sagte es Ihnen schon einmal. Das Ganze klingt reichlich abwegig.“
„Sie müssen zugeben, der Zusammenhang liegt auf der Hand. Ihre Eltern hatten recht, was die chemischen Prozesse angeht und den ganzen Schamanen-Kram. Wieso sollten sie mit der Jenseitsschwelle nicht auch recht haben?“
„Was wollen Sie damit erreichen, Kavenay?“
„Wissen Sie, Mister Finney, welches Element allen Nahtod-Erfahrungen gemeinsam ist?“
Leonard verneinte.
„Alle Probanden sagen übereinstimmend aus, dass ihr ganzes Leben an ihnen vorüberzieht. Ihre Eltern zogen einen bemerkenswerten Schluss daraus. Wenn Sie die besagte Schwelle überschreiten, treten Sie, natürlich nur mental, nicht körperlich, eine Zeitreise an. Und zwar sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit.“
„Klingt logisch“, sagte Leonard sarkastisch.
„Dann will ich es mal verständlicher ausdrücken. Stellen Sie sich einen Mann von dreißig Jahren vor. Nehmen Sie sich selbst, jetzt und hier. Und stellen Sie sich vor, Sie werden im Alter von sechzig Jahren sterben.“
Es fiel Leonard unter den gegebenen Umständen schwer, sich dieser Prognose hinzugeben.

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