Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
aber Randell hat da inzwischen erstaunliche Fortschritte gemacht. Aber Sie müssen natürlich eine gewisse Hörschwäche in Kauf nehmen.“
Vorsichtig zog er die Nadel wieder aus der Vene und klebte ein Pflaster auf den Einstich.
„Beides ist natürlich nur relevant für den Fall, dass Sie diese künstliche Trance überleben. Was ich, wie gesagt, inständig hoffe.“
„Hören Sie auf damit!“, schrie Leonard. „Sehen Sie mich an. Sie haben mich. Ich bin erledigt. Aus dem Rennen. Fragen Sie mich. Ich erzähl Ihnen, was Sie wissen wollen.“
Grinsend begann Randell, die metallene Konstruktion am Rahmen der Liege zu befestigen.
„Sehen Sie, Mister Finney“, sagte Kavenay. „Das Problem ist: Die für mich möglicherweise interessanten Dinge wissen Sie noch gar nicht. Sie selbst werden es erst sehen, wenn Sie die Grenze des Todes überschreiten. Und wenn nicht, habe ich ohnehin keine Verwendung mehr für Sie.“
„Warten Sie. Hören Sie auf damit.“
Zu Kavenays Erstaunen fehlte Ellens Stimme jede Hysterie.
„Miss?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Sie wollen wissen, wo die Pagode ist? Ihr Durchgang oder Todesschwelle oder was auch immer? Ich sag Ihnen, wie Sie sie finden.“
„Ich muss mich wirklich wundern, Mister Finney“, sagte Kavenay stirnrunzelnd. „Wieso kommt das Angebot nicht von Ihnen?“
Leonard schwieg, seine Augenlider flatterten, Schweiß trat auf seine Stirn. Das Serum zeigte erste Wirkung auf den Kreislauf.
„Aber wenn Sie unbedingt mit Ihrem Unsinn da weitermachen wollen, wird Ihnen jemand zuvorkommen“, sagte Ellen ruhig.
„Ich höre“, entgegnete Kavenay scharf.
„Ich nehme an, Sie kennen die ganze Geschichte. Auf dem Kris ist der Weg zur Pagode verzeichnet.“
„Ja, Miss, soweit bin ich eingeweiht. Und weiter?“
„Dieser Kris liegt im Grab eines Mannes namens Blackford Conley. Es befindet sich im Chin-Gebiet, im Norden. In einem Ort namens Than Mon. Haben Sie den Kris, finden Sie, was Sie suchen.“
„Sie trauen der Nutte doch wohl nicht?!“, mischte sich Randell ein.
„Doch, doch, mein Lieber, das tu ich.“
Die Verbundenheit der beiden hatte Kavenay bereits aufgefangen, als er die Zelle betreten hatte. Die Frau nutzte die letzte Möglichkeit, ihren Geliebten zu retten.
„Und wenn sie Unfug erzählt, wird ihr das bei unserer Rückkehr sehr leid tun.“
Mit dem Ziegenkopf seines Gehstockes fuhr er Ellens Oberschenkel hinauf.
„Sie erwähnten jemanden, der mir zuvorkommen könnte, Miss.“
„Dieser jemand besitzt die gleichen Informationen. Er nennt sich Arundhavi und tarnt sich als buddhistischer Mönch. Ganz sicher ist er bereits auf dem Weg nach Than Mon. Dieser Arundhavi ist ein Schamane und glauben Sie mir, er weiß, was die Zeichen auf dem Kris bedeuten. Er hat an der Séance teilgenommen, bei der Sie so gern dabeigewesen wären.“
„Eine ungünstige Entwicklung, das muss ich zugeben.“
„Verdammter Scheiß!“, drückte es Randell direkter aus.
„Wir setzen unser Experiment bei Gelegenheit fort“, sagte Kavenay und tätschelte Leonards Unterarm. „Ich denke, wir werden uns ein wenig ranhalten müssen, Randell.“
Die beiden eilten hinaus. Kurz darauf erklangen aufgeregte Stimmen, Kavenays scharfer Ton fuhr dazwischen. Minuten später heulte die Hubschrauberturbine auf. Das Knattern der Rotorblätter erdrückte alle übrigen Geräusche, bis es sich langsam in die Ferne verzog.
„Tut mir leid, Leonard. Aber sie hätten dich sonst umgebracht“, rief Ellen in seine Richtung. Als Antwort erhielt sie nur unverständliches Gemurmel. Ellen erhob sich und lief, den Stuhl mitschleppend, zur Liege hinüber.
„Bist du einigermaßen klar?“
Leonards Lippen blieben stumm. Sein blasses Gesicht voller Schweißperlen gab eine beklemmende Antwort.
„Nini. Wir müssen uns was einfallen lassen.“
Als könne sie direkt neben ihrer Herrin besser nachdenken, wankte auch das Mädchen mit dem Stuhl zur Liege.
Im nächsten Moment flog die Tür auf. Die drei Wächter kamen grinsend herein und stellten ihre Gewehre ab. Einer fasste sich mit der Hand in den Schritt. Ihre Absicht war unmissverständlich.
Kapitel 42
Kaihs klappriger Landrover erwies sich als hinderlich, sogar gefährlich. Arundhavi bog von der Verbindungsstraße Bagan-Mandalay nach Norden ab. Hier verwandelten sich selbst die Hauptverkehrsachsen in üble Schlaglochpisten. Besorgt horchte er auf das bedenkliche Ächzen der Federbeine. Das Lenkgestänge klackte bedrohlich.
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