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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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später Reinhold Korbmacher sein trauriges Los ereilte. Mit leisem Schauer erinnerte ich mich seiner Andeutungen, was jene mysteriösen Urwaldnomaden mit ihm und seinem Führer angestellt hatten. Und daran, was mein Freund Gerald über ihre Wächterfiguren sagte. Dass man sie, um ihre magischen Kräfte zu erhöhen, mit menschlicher Hirnmasse füllte. Dort, in dieser Hölle, ging auch Leonard Finney seinem Schicksal entgegen.

Kapitel 57
    März 1988, Bangkok, Thailand
    Er hatte Glück gehabt. Sie fanden ihn rechtzeitig. Glück, kurz das Bewusstsein wiederzuerlangen, genug Kraft aufzubringen, seine Verlegung nach Bangkok zu befehlen. Bevor er sich in der Baracke, die sie Poliklinik nannten, mit Weiß-Gott-was ansteckte. Randell hatte überhaupt kein Glück gehabt. Ein einziger, sauberer Stoß durch Unterkiefer und Gaumendach direkt ins Gehirn. Wird nicht mal was davon gemerkt haben, dachte Kavenay. Seine eigene Wunde schmerzte immer noch unter dem straffen Verband.
„Glück“, murmelte er.
Unter seinem Fenster zog sich die Silom Road entlang, ein helles, schnurgerades Band mit einem Mittelstreifen aus verdorrtem Gras. Er schüttelte den Kopf, erkannte, wie wenig das Ganze mit Glück zu tun hatte. Weder bei ihm selbst und noch weniger bei diesem Finney. Dieser Kerl entwischte wie ein Schatten, entkam durch das kleinste Loch. Allein die Flucht vom Plateau grenzte an ein Wunder. Aber stets fanden sich Spuren, die es Kavenay ermöglichten, die Witterung wieder aufzunehmen. Finney benutzte immer noch die falsche Identität des Martin Ryland. Entweder war es äußerst dreist oder äußerst dumm. Vielleicht blieb ihm, gezwungen, auf der höchsten Risikostufe zu spielen, auch nichts anderes übrig. Und wieder gewann er. Ihm gelang die Flucht nach Ost-Malaysia. Vermutlich, dachte Kavenay, weil er echte Dokumente vorweisen konnte. Drogenhippies verhökerten ihre Pässe manchmal an Leute wie Reidy. Man meldete sie nicht als gestohlen, sondern behauptete einen Totalverlust, etwa bei einem Zimmerbrand. Damit erschienen sie nie in Fahndungslisten. Die ursprünglichen Besitzer besorgten sich Ersatzpapiere und beantragten in der Heimat einen neuen Ausweis. Fand der alte einen Kunden, Männer wie Finney, die abtauchen mussten, tauschte man nur das Bild aus. Gefälscht wurde lediglich ein Stempel. Trotzdem brauchte Kavenay keine intensiven Nachforschungen anzustellen. Der echte Ryland lebte in Seattle. Dort buchte er am 10. März einen Flug nach Lima. Ein zweiter Martin Ryland bestieg keine achtundvierzig Stunden später am Don Muang Airport in Bangkok eine Maschine nach Kuching/Sarawak. Ohne den Schatten eines Zweifels schnüffelte der echte Martin Ryland jetzt irgendwo in Peru Kokain. Während der Mann, der nach Ost-Malaysia geflogen war, nur Leonard Finney sein konnte.
Vor zwei Tagen!
Kavenay verließ gerade das Hospital, da kaufte sich der Kerl in aller Seelenruhe vor seiner Nase die Tickets.
Nein, kein Glück. Hier wirkte eine andere Macht. Und die Jagd ging weiter.
Es konnte nur er sein, der nach Sarawak aufgebrochen war. Weil ES dort wartete. Zu dieser Einsicht verhalf ihm ein anderer Name: Blackford Conley. Es erstaunte Kavenay, um wie vieles einfacher die ganze Suche gewesen wäre, hätte man nur um diesen Mann gewusst, diesen Namen gekannt. Aber eine Reihe undurchsichtiger Ereignisse hatte nur Leonard Finney vergönnt, diese Verbindung aufzudecken.
Bis jetzt.
Kavenay hielt das Fax aus London in der Hand, übersandt von einem britischen Militärarchiv. Und zum ersten Mal in seinem Leben sah sich Kavenay dem Dunklen, dem Unerklärlichen gegenüber. Die außerordentliche Brutalität des Offiziers beeindruckte selbst Kavenay. Sein Blutrausch, der sich fortsetzte, als er Burma verließ und in die Wälder Sarawaks vordrang, Monate nach seinem angeblichen Tod in den Chin-Hills. Ein Bericht der ehemaligen ostmalaiischen Brooke-Administration belegte eine Raserei, die jedes Maß sprengte. Der Terror dieses Henkers musste jeden in der Tiefe erschüttern. Doch es war sein Bild, eine unschuldige Fotografie, die Kavenays Verstand verfinsterte. Nicht Glück oder Zufall begegnete ihm hier. Das Fax gab die alte Fotografie nur verwaschen, schemenhaft wieder. Trotzdem blieb die Ähnlichkeit unverkennbar. Kavenay legte es neben eine Aufnahme von Leonard Finney, das diesen in Navy-Uniform kurz vor seiner Entlassung zeigte. Diesen Moment sollte Kavenay für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen.
Finney war ein Schatten. Und diesen

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