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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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gewählt. Es bestand kein Zweifel. Er wollte dieses Schiff fotografieren. Und er kaschierte sein Vorhaben, indem er so tat, als porträtiere er die beiden Frauen. Das Bild tönte wie eine Botschaft, ein letzter Ruf aus der Ferne.
„Haben Sie was entdeckt?“
„Das Schiff“, antwortete Leonard. „Nalanda Star.“
Zögerlich, dachte Sung, aber sie kamen, die Überraschungen. Aus einer Ablage nahm er eine zwei Tage alte Ausgabe der Singapore Straits Times.
„Wie das zusammenhängt, weiß der Teufel. Aber vielleicht haben Sie ja eine Idee, Mister Finney.“
Leonard nahm die aufgeschlagene Zeitung entgegen. Die Überschrift eines Artikels auf der Seite Asia News schnitt ein wie die Sense des Todes.
Frachter in der Südchina-See verschwunden.

Kapitel 8
    Die Kämme des schwarzen Gebirges glichen wüsten Brechern eines Ozeans, im Moment des wilden Aufbäumens eingefroren. Er lenkte den Wagen flott, aber mit sicheren Bewegungen durch die Nacht. Sie legte den Kopf in den Nacken, spürte den Fahrtwind durch das Haar sausen. Trotz ihrer geschlossenen Augen nahm sie die Kurve wahr, die Scheinwerfer auf der schroffen Wand. Die weißen Gesichter kleiner Gespenster, das vorbeihuschende Schild. Der Wagen ruckte. Da war dieser Fleck, der sich rasch vergrößerte. Diese Frau, die vom Himmel fiel. Das fürchterlich verzerrte Antlitz der Gestalt, wie sie über der Motorhaube schwebte. Sie hörte die Bremsen kreischen, den dumpfen Schlag, als der Körper auf die Motorhaube krachte. Blut klatschte gegen die Windschutzscheibe, schwappte darüber hinweg, als hätte jemand einen Kübel ausgeleert. Sie schrie auf, als das Heck des Wagens ausbrach.
    Wach auf ! Wach auf! Dieser verdammte Albtraum!
Leonards Muskeln zuckten. Klar erkannte er, dass er die Perspektive der Frau in dem Auto eingenommen hatte. Aber nicht diese in Visionen übliche Paradoxie verunsicherte ihn. Der Traum schlummerte bereits wieder in den Tiefen seiner Seele, trotzdem wollte er nicht erwachen, gefangen von undurchdringlichem Schwarz. Er versuchte zu schreien, aber die Zunge klebte fest. Die Augenlider, wie angestanzt, rührten sich keinen Millimeter. Nur mit Mühe schafften es die Töne an sein Trommelfell, als hätte man ihm Wachs in die Ohren gestopft. Zirpen von Zikaden, klirrende Schritte, wie über zerbröselten Kacheln.
Er zwang seine Muskeln, den Körper mit einem Ruck aufzurichten, ohne Erfolg. Selbst sein Kopf klemmte fest wie in einem Schraubstock. Panik befiel ihn. Beim letzten Mal hatte er das Gefühl gehabt, in einem Sarg aufzuwachen. Jetzt fühlte sich alles genauso an, aber realer. Als liege er wirklich in einem Grab, umgeben von festgestampfter Erde, bewegungsunfähig.
„Mistah Finnih ist aufgewacht.“ Schnief.
In einem Grab gab es keine schniefenden Stimmen! Bunte Lichtgebilde schwirrten in seinem Gehirn. An beiden Schläfen spürte er sachte Berührungen, dann einen kurzen, scharfen Schmerz über den Lidern. Sie wurden hochgerissen. Plötzliche Helligkeit stach auf die Netzhaut, aber die bunten Lichter blieben. Hinter ihnen tauchten die Umrisse eines Mannes auf. Mit spitzen Fingern beider Hände hielt er zwei Streifen Klebeband hoch. Wie ein Chirurg, der unbedingt zeigen wollte, was er gerade aus dem Körper geschnippelt hatte.
„Hallo, schnief , Mistah Finnih.“
Wie ein notorischer Kokainschnüffler zog der Mann ständig die Luft durch die Nase. Leonard wollte fragen, wer dieser Mann war, wo er sich befand, was das alles sollte. Aber die Stimme versagte und er hörte sich selbst nur kehlige Laute ausstoßen. Der Mann wedelte mit einer Einwegspritze vor seiner Nase herum.
„Warten Sie, Mistah Finnih. Es dauert was, bis die Wirkung nachlässt.“
Man hatte ihm eine Droge eingeschossen! An Händen und Füßen gefesselt, an ein metallenes Bett, den Oberkörper halb aufgerichtet. Noch verschwammen die Konturen. Wie die Linse eines Fotoapparates musste er seine Augen erst fokussieren, um die Schraubvorrichtung aus der Unschärfe zu holen. Ursprünglich diente sie zum Fixieren von komplizierten Knochenbrüchen. Man hatte sie vor sein Gesicht gespannt, irgendwo am Bett befestigt. Zwei Klemmen hielten lange Injektionsnadeln, deren Spitzen, Zentimeter entfernt, auf seine Pupillen zielten. Klebeband hielt Leonards Kopf im Griff, sonst wären seine Augen beim Hochfahren aus dem Delirium direkt in die Nadeln gestoßen, durchbohrt bis hinter den Sehnerv.
Was für eine Scheiße war das?
Er versuchte, mehr zu erkennen. Ein zertrümmertes

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