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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Hindernisse in den Weg gestellt, die Botschaft zu enträtseln. Das größte bestand darin, die Hexagramme in die richtige Reihenfolge zu ordnen. Deren Sinn änderte sich signifikant, je nachdem, wie sie zueinander ausgerichtet wurden. Die in der Tätowierung versteckten Hexagramme hatte Mahangir auf Papier übertragen. Wie Notizen mit Zahlenkolonnen und Buchstabenkombinationen bewiesen, suchte er den Schlüssel für die richtige Reihenfolge. Über zwanzig verschiedene Kombinationen der Hexagramme brachte er zu Papier. Daneben kritzelte er Worte wie: entdecken , Konflikt , auseinanderbrechen , eine große Macht zähmen , Licht bedeutet Dunkelheit .
Das Ganze klang auf diffuse Weise nach einer düsteren Prophezeiung. Wie die Apokalypse nach der Offenbarung des Johannes. Der Sinn blieb ihm verschlossen. Bis ihn etwas anderes fesselte. Deshalb entgingen ihm die Schritte, die sich draußen auf dem Flur näherten.
    „Wie meint Ihr, alter Mann?“
Der weißhaarige Kantonese berührte das zweizackige Symbol auf der Zeichnung.
„ Mata hitam “, wiederholte er.
Überirdischer Glanz erleuchtete die trüben Augen seines Herrn.
„Also ist es wahr. Was sagt es?“
„Nichts sagt es, ehrenwerter Chan“, seufzte Meister Sen. „Nur eine alte Legende.“
Mit leiser Stimme begann er seine Erzählung.
„Vor 2551 Jahren wurde Siddhartha Gautama geboren, als Sohn eines Königs. Als er eines Tages auszog aus dem Palast, sah er Armut, Alter und Tod. Und er beschloss, sein Leben in Reichtum aufzugeben. Und er wurde der Buddha Shakyamuni und stieß das Rad der Lehre an, um die Menschheit in das Licht der Erkenntnis zu tauchen. Weil er erkannte, das Leid das Leben der Menschen prägte und Begierde die Ursache des Leids war. Aber was, fragte der Buddha sich, ist die Ursache der Begierde? Was ist die Ursache aller Ursachen? Und so begab er sich auf eine lange Reise in die Vergangenheit. Aber nirgends entdeckte er die Ursache aller Ursachen. Immer weiter drängte es ihn, bis hinter die Zeit. Bis die Schwärze vor dem ersten Tag, vor dem Anfang aller Zeit, ihm das Licht seiner Erkenntnis verhüllte, sein Antlitz verdunkelte und in sein innerstes Inneres drang. Und aus dieser Finsternis erhob sich das Ungeheuer. Und er erkannte, dass er es selbst geweckt hatte. Aus ihm selbst entsprang es. Das Ungeheuer, das fortan jedes Wesen im Universum mit der Begierde heimsuchen würde. Und dann weinte er, eine einzelne, bittere Träne. Dies ist die Träne des Schwarzen Buddha. Eine Träne im Auge der Dunkelheit.“
Bei den letzten Worten begann Chan, heftig zu zittern. Meister Sen hielt inne. Besorgt fragte er, ob er den Diener rufen solle, doch der Herr forderte ihn mit einer unwirschen Geste auf, fortzufahren.
„Der Buddha berichtete seinen Arahats und einer von ihnen, Ananda, fragte: `Wenn du, oh Buddha, an den Anfang der Zeit reisen kannst, um die Ursache aller Ursachen zu finden, so begib dich doch an das Ende der Zeit, um zu finden, was diese Ursache vernichtet.´
Und der Buddha erwiderte: `Wenn ich an den Anfang der Zeit reise und finde die absolute Finsternis vor dem ersten Tag aller Tage, was anderes würde ich in der Zukunft finden als die absolute Finsternis nach dem letzten aller Tage?´
Darauf schwiegen beide. Die Träne aber schenkte der Buddha dem Ananda. Und sie verwandelte sich in einen kostbaren Edelstein. In die Kraft, in das Abbild der Macht, welche das Ungeheuer der Begierde bändigen kann.“
„Das ist es, was ich suche, alter Mann“, rief Chan, aufs äußerste erregt. „In diesem Stein steckt die Macht des Universums. Absolute Macht. Ewiges Leben. Alles.“
„Ihr irrt Euch“, erwiderte der Weißhaarige. „Es ist nur ein Mythos. Die Legende ist nur ein Sinnbild für die Zwecklosigkeit allen weltlichen Strebens in der ewigen Wiederkehr der Zeit.“
„Unsinn“, entfuhr es Chan. „Es heißt, die Träne des Schwarzen Buddha ziert den mächtigsten Kris, der je geschmiedet wurde. Der allererste Kris, der Stammvater. Der nicht von dieser Welt ist.“
Chan Khuo wollte aufspringen, doch die geschwächten Glieder zwangen ihn in den Stuhl. Aber seine Stimme erklang trotz des Morphiums mit der Kraft eines Dreißigjährigen.
„Dieser Kris zeigt den Weg zum Wissen, zur Macht. Und er trägt den Namen, den ihm die Malaien gaben. Ihr nanntet ihn selbst. Mata hitam, das Auge der Dunkelheit.“
„Das ist reiner Aberglaube. Ein solcher Kris hat nie existiert.“
Misstrauisch fixierte Chan den Weisen mit seinen schmalen,

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