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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Sternbild sah ich bisher erst ein einziges Mal«, sagte er und dachte im selben Augenblick, dass sich die ganze Geschichte für einen Außenstehenden wohl ziemlich unglaubwürdig anhörte. Aber das hätte er sich vorher überlegen müssen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Es war in einer sternenklaren Nacht vor einigen Wochen. Es stand direkt über meinem Haus. Ich brauchte nicht einmal ein Fernrohr, auch mit bloßem Auge war es deutlich zu erkennen. Seit jener Nacht jedoch ist es verschwunden. Und ich frage mich ...«
    »Wie ich Euch schon sagte, bin ich kein Sterndeuter. Doch ist dieses Phänomen nicht bekannt?«, wandte Moshe ein. »Ich glaube, ich habe bereits von Sternen und Sternkonstellationen gehört, die nur zu bestimmten Jahreszeiten, an bestimmten Tagen oder sogar nur alle paar Jahre sichtbar sind. Wenn mich nicht alles täuscht, so behaupten zum Beispiel die Christen, dass über dem Geburtshaus von Jesus Christus solch ein Stern stand, der den Hirten den Weg gewiesen haben soll und den seither kein menschliches Auge mehr gesehen hat. Könnte es nicht sein, dass ...«
    »Aber doch nicht so!«, fiel Ali dem Juden aufgebracht ins Wort. »Seit frühester Jugend beschäftige ich mich mit der Astronomie. Und natürlich weiß ich, dass sich der Sternenhimmel jeden Tag verändert. Sterne, ja, ganze Sternbilder kommen und gehen wieder. Aber jede dieser Umwandlungen dauert eine gewisse Zeit, und seien es nur Tage oder Stunden. Das Auftauchen und Verschwinden von Sternbildern kann man für gewöhnlich beobachten. Doch sooft ich den Himmel auch mit meinem Fernrohr nach diesem Auge absuche, es bleibt unsichtbar. Es ist, als wäre es einfach fortgewischt worden. Aber wie kann das sein? Sterne können nicht einfach verschwinden! Es ist so ...« Er brach ab auf der Suche nach den passenden Worten. »Es verwirrt mich. Manchmal bin ich mir noch nicht einmal mehr sicher ...«
    »Ob Ihr das Sternbild wirklich gesehen habt?«, fragte Moshe Ben Maimon. Ein seltsames Lächeln umspielte seine Lippen. In diesem Augenblick war Ali sicher, er stand vor dem richtigen Mann. Der alte Jude wusste etwas über dieses Auge. »Ich kann Euch versichern, dass Ihr Euch nicht geirrt habt. Es gibt dieses >Auge<, wie Ihr es nennt. Allerdings spielt diese Frage keine Rolle, Ali al-Hussein. Viel wichtiger ist, weshalb Ihr es unbedingt wiederfinden wollt.«
    Die Stimme des Juden klang sanft und verständnisvoll. Vielleicht wirkte sie gerade deshalb auch so eindringlich auf Ali, eindringlich und fordernd wie die Stimme seines alten, klugen Lehrers, dessen Erklärungen und Unterweisungen er bis heute nicht vergessen hatte. Natürlich war er erleichtert, dass er sich nicht getäuscht, sich keine Erscheinung eingebildet hatte. Das Sternbild existierte, das hatte Moshe soeben zugegeben. Er konnte seinen Sinnen noch trauen. Trotzdem fühlte er sich seltsam hilflos. So hatte er sich das letzte Mal gefühlt, als er im Alter von neun Jahren vor seinem Lehrer gestanden hatte und über das Buch eines griechischen Gelehrten geprüft worden war, das er gar nicht gelesen hatte.
    »Wie soll ich es erklären«, begann er und beschloss nach kurzem Nachdenken, die Wahrheit zu sagen. Warum auch sollte er sich vor dem alten Juden fürchten? Er würde es gewiss niemandem weitererzählen. Höchstens seinen Nachbarn. Und wenn sich eine Hand voll Juden über ihn lustig machte, brauchte es ihn nicht zu kümmern. Diese Leute zählten in der Gemeinschaft der Gläubigen nicht, und ihr Urteil hatte kein Gewicht. »Dieses Sternbild war wunderschön. Es wirkte so tröstlich, so beruhigend. Es gab mir Hoffnung.« Hoffnung? Worauf eigentlich? Hoffentlich fragte der Rabbi nicht danach.
    Moshe Ben Maimon legte die Spitzen seiner knochigen, vom Alter gekrümmten Finger aneinander. Eine Weile betrachtete er Ali eingehend.
    »Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina«, sagte er leise, wobei er jede einzelne Silbe betonte. »Der berühmte Arzt und Gelehrte, ein Mann, der nur darauf vertraut, was er mit seinen Augen und seinem Verstand erfassen kann. Ein Mann, der sogar dem Glauben, in dem er erzogen wurde, nicht viel Bedeutung beimisst.« Ali wollte etwas erwidern, doch der Alte gebot ihm mit einer Geste zu schweigen. »Versteht mich nicht falsch, Ali al-Hussein, ich kann und will nicht über Euch Recht sprechen. Ich will Euer Verhalten weder gutheißen noch verdammen. Wir haben mit Saddin sehr oft von Euch gesprochen, und deshalb frage ich mich, ob Ihr bereit seid zu hören, was ich Euch

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