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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Bagdad schmuggeln, um sie dort veröffentlichen zu lassen. Jeder im Land der Gläubigen sollte die Möglichkeit haben, diese Gedichte zu lesen.«
    Ganz meiner Meinung, dachte Beatrice und freute sich für Yasmina, die endlich ein breites Publikum haben würde - wenn auch unter falschem Namen.
    »Assim wird sich bestimmt darüber freuen. Aber das hättest du mir doch auch morgen erzählen können.«
    »Natürlich«, erwiderte er und wurde feuerrot im Gesicht. »Deshalb bin ich eigentlich auch gar nicht gekommen. Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    Er legte ein Paket vor ihr auf die Bettdecke. Neugierig öffnete Beatrice die Schnüre.
    »Kleidung?«, fragte sie überrascht, als sie das Bündel endlich ausgepackt hatte. »Aber das sind ja ...«
    »Richtig«, fiel ihr Malek ins Wort und setzte sich auf die Bettkante. »Männerkleider. Endlich ist mir eine Möglichkeit eingefallen, um dir zu helfen. Höre mir gut zu.«
    Hassan schlief schlecht. Seit vielen Nächten warf er sich unruhig auf seinem Bett hin und her oder schreckte immer wieder hoch, geplagt von Träumen, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieben. Diese Nacht nun war es besonders schlimm gewesen. Er war von einem furchtbaren Albtraum geweckt worden, nur um am Stand der Sterne vor seinem Fenster festzustellen, dass er erst kurze Zeit vorher eingeschlafen war. An den Inhalt seines Traums konnte er sich nicht mehr erinnern. Doch sobald er die Augen schloss, sah er immer wieder denselben Mann vor sich, einen Mann mit langen schwarzen silbrig schimmernden Haaren und einem Gesicht, glatt und schön wie das eines Engels. Er hielt ein Schwert in seinen Händen, und aus der Klinge dieses Schwertes schlugen Hassan helle Flammen entgegen, deren Hitze ihm die Haut zu versengen drohten. Danach hatte er überhaupt keinen Schlaf mehr gefunden. Und schließlich, als die Sterne die Hälfte ihrer Bahn zurückgelegt hatten, war er aufgestanden und an das Fenster seines Schlafgemachs getreten. Und dort stand er immer noch.
    Draußen war es dunkel. Nur in einem Fenster gewahrte er einen schwachen Lichtschein. Möglicherweise eine Mutter, die ihr Kind trösten musste, ein Kranker, vielleicht Liebende. Oder einfach ein Mann, der ebenso wie er keinen Schlaf fand. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die Sonne aufgehen und der Muezzin mit seiner Stimme die Gläubigen zum morgendlichen Lobpreis Allahs aufrufen würde. Dicht neben Hassan brannte wie jede Nacht das Talglicht, das verabredete Zeichen, und warf sein lebhaft zuckendes Licht hinaus in die Finsternis. Den anderen Fensterflügel hatte er weit geöffnet.
    Er wartete. In den vergangenen Nächten hatte er oft hier am Fenster gestanden, in der Hoffnung, endlich die ersehnte Nachricht zu erhalten. Immer wieder rechnete er nach, zählte die Tage, die Nächte und versuchte alles zu bedenken, was es zu bedenken gab, während er hier stand und mit vor Müdigkeit brennenden Augen in die Dunkelheit hinausstarrte, über die leblosen schwarzen Dächer der Stadt hinweg. Doch jedes Mal kam er zum selben Ergebnis. Egal, wie er es auch drehte und wendete, Osman war überfällig. Er hätte bereits vor zehn Tagen bei ihm sein sollen.
    Hassan rührte sich nicht. Hätte jemand in diesem Moment sein Schlafgemach betreten und ihn dort am Fenster gesehen, hätte er sicher geglaubt, er sei zu Stein erstarrt - oder gar tot. Nur seine Hände verrieten, dass er noch unter den Lebenden weilte, gaben seine innere Anspannung preis. Sie öffneten und schlössen sich pausenlos. Dabei umklammerten sie jedes Mal das Fenstergitter vor seinem Gesicht so fest, dass das Holz wie in einer Schraubzwinge ächzte und zu brechen drohte. Hassan merkte es kaum.
    Vielleicht gab es überhaupt keinen Grund zur Besorgnis. Vielleicht war Osman in Alamut, der geheimen, versteckt in den Bergen von Qazwin liegenden Festung ihrer Bruderschaft, aufgehalten worden. Doch Hassan wusste, dass dies nicht der Grund für die Verspätung sein konnte. Er kannte Osman. Nie und unter gar keinen Umständen würde er ihn warten lassen. Wenn er in Alamut aufgehalten worden wäre, wüsste Hassan es bereits. Osman hätte ihm eine Nachricht geschickt. Doch es war nichts angekommen - kein Bote, keine Taube, nichts. Blieben also nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder hatte Osmans Nachricht ihn nicht erreicht, weil sie auf dem Weg zu ihm verloren gegangen war, oder aber ...
    »Allah!«, flüsterte Hassan. »Ich flehe Dich an! Beschütze
    Osman. Ich brauche ihn. Ohne ihn werde ich das Werk, das

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