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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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heute Abend getroffen." „Dann muss ich mich beeilen. Bald kommt der Morgen." „Bellanes, wenn Ihr etwas braucht oder wünscht, sprecht."
    „Etwas, Herr. Wo finde ich sie und wie sieht sie aus?" Dahmis schmunzelte. Er malte eine Karte in den Sand, die Bellanes sich ins Gedächtnis einprägte. „Und ihr Aussehen ist unverkennbar. Meistens versteckt sie sich unter alten Kleidern und hässlichen Kopftüchern."
    Bellanes grinste. „Wie soll ich sie dann von den anderen alten Weiblein in Desante unterscheiden?" „Oh, mein Freund, sie ist nicht alt. Sie ist jung, sie ist schön und sie hat Augen von der Farbe des Ozeans. Um ganz sicher zu gehen, zieht ihr das Tuch vom Kopf. Wenn die Haare darunter flammend rot sind, habt Ihr die Richtige."
    Der Oberkönig hielt inne und sah überrascht, dass der junge Mann am ganzen Leib zitterte. Sein Gesicht war totenbleich und sein Atem ging in heftigen Stößen. „Was ist?", schrie Dahmis.
    Doch Bellanes war mit einem Satz auf den Füßen und sprang auf sein Pferd. „Bellanes! Wohin?"
    „Nach Desante, mein König", kam die Antwort heiser. „Ich werde sie finden oder ..."
    Der Oberkönig konnte die letzten Worte nicht mehr hören. Er hörte nur noch das sich entfernende Schlagen der Hufe.
    Torina sah sich in ihrer reinlichen Hütte um. Auf den Stühlen lagen ein paar verschnürte Bündel, das war alles, was sie mit nach Desan nehmen wollte. Das Gold des Oberkönigs hatte sie größtenteils im Keller des Dirksonhofes verstaut. Der Kristall lag, noch immer in Tücher verhüllt, sicher in ihrer Tasche. Unter dem ausgeblichenen Kleid hing die rote Kordel mit dem Stein von Dahmis. Er konnte von Nutzen sein, wenn irgendjemand versuchte sie aufzuhalten.
    Neben ihr standen Lindsa und Anna und lächelten sie an. Antonia spielte vor der Tür in der lauen Abendluft. „Ich wollte schon viel früher abreisen", sagte Torina. „Du hättest nicht früher gehen dürfen - bei dieser Krankheit."
    Torina schlug die Arme um sich. Sie spürte die Angst, die sie seit dem Tag verfolgte, als sie sich dem Kristall verweigert hatte, als sie ihr Haar hatte sehen lassen und krank geworden war. In der Tiefe ihres Herzens wusste sie, dass etwas nicht stimmte, dass sie einen Fehler gemacht und den Pfad des Guten verlassen hatte. „Iss doch noch etwas", drängte Anna. Ein kribbelndes Gefühl kroch über ihren Rücken, als hätte sie etwas Wichtiges vergessen, das direkt vor ihren Augen lag.
    Von draußen kündete ein Geräusch das Herannahen eines Reiters an. Antonia fing an zu weinen. Lindsa rannte hinaus und nahm sie in die Arme. Torinas folgte ihr vor die Tür. Ihr Herz taumelte wie ein lahmendes Pferd, als ein großer, maskierter Mann auf sie zupreschte und sie aus Augenschlitzen fixierte. Er warf sich nach vorn und bekam ihren Arm zu fassen. Entsetzt schrien Anna und Lindsa auf, als er mit mächtiger Faust Torina einen Schlag gegen den Kopf versetzte. Silberne Sterne blitzten vor ihren Augen auf, dann wurde es dunkel.

 
10. Kapitel
     
    Torina erwachte. Sie lag auf dem Boden und war mit einer rauen Decke zugedeckt. Kiefernnadeln unter ihr verrieten ihr, dass sie sich in den Bergen befand. Ein kühler Wind strich über ihren schmerzenden Kopf. Dunkle Bäume und hoch darüber ein Streifen Sternenhimmel. Durch die Zweige fiel Mondlicht auf die schwarzen Umrisse eines angebundenen Pferdes. Torina stützte sich auf. An einem Baumstumpf, nur wenige Schritte von ihr entfernt, lehnte der maskierte Mann. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig im Schlaf.
    Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht sie zu fesseln! Langsam kroch sie vorwärts und tastete sich über Wurzeln und Steine, obwohl ihr ganzer Körper danach schrie wegzulaufen. Ihre Hand berührte etwas, eine Ledertasche. Sie hielt an. Renn weg!, schrie ihr Körper.
    Aber sie musste es wissen. Wer hatte sie entführt? Sie ließ ihre Hand in die Tasche gleiten. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, als sie einen kleinen Beutel hervorzog und mit zitternden Fingern öffnete. Er enthielt ein paar große, schwere Münzen. Und in einer Falte lag ein Ring! Vielleicht ein Siegelring, der ihr die Identität des Schlafenden verraten würde.
    Sie zog ihn heraus und untersuchte ihn im fahlen Mondlicht. Es war ein schlichter Ring mit einem runden Stein.
    Diesen Ring kenne ich! Er hat einmal mir gehört! Ein winziger, runder Kristall in Gold gefasst. Das letzte Mal hatte sie ihn gesehen am Tag, als ihr Vater ermordet wurde.
    Torina sprang auf, ihr

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