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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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anvertrauen durfte. Sollte er für Torina sprechen? Jetzt wäre der ideale Augenblick, Dahmis die volle Wahrheit zu sagen.
    Nein, ohne ihr Einverständnis wäre das nicht richtig. Sie wollte Archeld nicht um ihretwillen in einen Krieg stürzen, wollte nicht, dass der Oberkönig ihr Geburtsrecht mit Gewalt verteidigte. Genauso gut könnte er erzählen, dass er der Prinz von Bellandra war, er könnte sein Königreich zurückfordern und Dahmis um militärische Unterstützung für die Wiedergewinnung des Schwertes bitten. Auch das würde er niemals tun. Landen rieb sich die Augen, seine Erschöpfung verursachte ihm beinahe Schmerzen. „Mein König, das kann ich nicht sagen. Aber jetzt möchte sie Euch helfen", sagte er.
    Landen wollte nicht bleiben, obwohl der Oberkönig ihn dringend darum bat.
    „Bitte, Bellanes. Bestimmt habt Ihr Vineda gut versteckt. Aber was soll ein Beschützer, der vor Erschöpfung halb tot ist?"
    „Nein, mein König. Ich muss fort."
    Er akzeptierte ein frisches Pferd, da er seinen braven Hengst nicht noch mehr erschöpfen wollte. Obwohl sich die Müdigkeit wie eine Fessel um seine Sinne und seine Glieder legte, glaubte er, doch nicht schlafen zu können, wenn er sich hinlegte. Das Schwert von Bellandra, das er so viele Jahre aus seinem Gedächtnis verbannt hatte, brannte mit sengender Hitze in seinem Herzen. Torina hatte gesagt, es sei nicht zerstört und Vesputo wollte mit seiner Hilfe die Königreiche an sich reißen. Das musste Landen verhindern. Er musste herausfinden, wo Vesputo es verborgen hielt. Fast spürte er es in seiner Hand: eine mächtige, glorreiche Waffe, mit der er Vesputo den Garaus machen konnte. Auf einer schwarzen Stute machte er sich im grauen Morgenlicht auf den Weg. Es regnete und die Wege verwandelten sich in Schlamm. Wie im Wahn eilte er in Richtung Archeld und hielt nur an, um sein Pferd zu wechseln.
    Bevor er zum Grenzposten kam, verließ er die Straße und erreichte Archeld über morastige Felder. Auch als er die Grenze weit hinter sich gelassen hatte, hielt er sich von den Hauptstraßen fern und galoppierte durch versprengt liegende, kleine Dörfer. Der Regen hörte auf. Bald waren er und die Beine seines erschöpften Pferdes mit Schlamm bedeckt. Er würde noch einmal das Pferd wechseln müssen.
    Landen fand ein größeres Dorf mit einem Gasthaus und erkundigte sich nach einem frischen Pferd. Der Gastwirt stand in der Tür und sah ihn misstrauisch an. Landen vergaß, was für eine befremdliche Erscheinung er abgeben musste, er und sein Pferd so über und über mit Schlamm bespritzt. Er vergaß zu lächeln und dem Mann ein Goldstück zuzustecken.
    „Vielleicht habe ich ein Pferd für Euch", sagte der Gastwirt. „Wartet hier."
    Landen lehnte sich an einen Pfosten. Als die Tür zum Gastraum aufging, stürmten Soldaten heraus. Soldaten in grünen Uniformen. Das Dorf war nicht nur groß genug für ein Gasthaus, auch ein Trupp der Soldaten Vesputos war dort stationiert. Landen war vom Mangel an Schlaf so benommen, dass er einfach davonrannte und auf sein armes, erschöpftes Pferd sprang. Dieses tat sein Bestes, seinen Fersen zu gehorchen und galoppierte los, doch schon bald waren sie von den Soldaten eingeholt.
    Verzweifelt zog Landen das Zeichen des Oberkönigs hervor.
    „Wenn Ihr mich gehen lasst, wird euch der Zorn des Oberkönigs erspart bleiben."
    Das aber überzeugte die Soldaten, dass er eine wichtige
    Person war, die sie besser ihrem König vorführen sollten. Sie legten ihn in Fesseln.
    Torina verbrachte zwei idyllische Tage allein in dem versteckten Hochtal. Sie dachte an nichts, was sie hätte traurig stimmen können, sondern genoss die Schönheit der Natur und den Gedanken an ihre Wiedervereinigung mit Landen. Von Liebe erfüllt, tanzte sie umher.
    Die bescheidenen Essensvorräte schmeckten köstlicher als alles, was sie jemals als Prinzessin gegessen hatte. Wenn sie an der Quelle saß und die reine Luft einatmete, erschien ihr die Welt kaum groß genug, um ihre Dankbarkeit zu fassen. Fast wollte sie Vesputo dafür danken, dass er sie betrogen und in die leidvolle Verbannung getrieben hatte.
    Jeden Morgen und jeden Abend schaute sie in die Kristallkugel und war erleichtert sie blank und still zu finden. Sie glaubte, die geplante Ermordung von Dahmis könnte verhindert werden, Landen würde das Schwert von Bellandra finden und Vesputos Tage bald gezählt sein. Sie glaubte, ihren Teil dazu beigetragen zu haben. Das Glück war ihr noch einmal hold gewesen und

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