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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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ihnen zu suchen hatte, und niemand interessierte sich dafür. Die Gerüchte über Bellandra, dass es ein Land voll von Weichlingen war, schienen der Wahrheit zu entsprechen. Würde sonst dieser Junge, der immerhin einmal hätte König werden sollen, nicht besser zu kämpfen wissen?
    So dachte Eric eine Zeit lang und seine Freunde schlossen sich seiner Meinung an. Sie taten den vertriebenen Prinzen als dummen Feigling ab, als Sohn eines toten dummen Feiglings. Seine Probleme gingen niemanden etwas an.
    Doch in letzter Zeit war Eric unsicher geworden. Die
    Schikanen gegen Landen hatten ein Niveau erreicht, das unter aller Norm lag. Vor allem Beron schien Spaß daran zu finden, Landen schlimm zuzurichten und sich hinterher über ihn lustig zu machen. Erics Meinung nach standen zu viele der jüngeren Jungen unter Berons Einfluss. Er begann, ein Auge auf Landen zu halten und musste zugeben, dass dieser Fremde weder schwach noch dumm war. Im Gegenteil, Landen schien äußerst schnell zu lernen. Eric hatte ihn bei einer Kampftechnik gegen einen größeren Jungen beobachtet, die gewöhnlich sehr schwierig zu erlernen war. Wenn Emid etwas vorführte, sah Landen immer aufmerksam zu, selbst wenn andere gelangweilt oder müde waren. Und er war nicht ungeschickt. In der Kunst des Bogenschießens, der einzigen Kriegskunst, die er in Bellandra gelernt hatte, war er den Jungen seines Alters weit voraus. Mit Pferden konnte er zugegebenermaßen besser umgehen als er, Eric. Landen war noch jung und deshalb nicht besonders groß, vor allem im Vergleich zu Berons kräftiger Gestalt. Aber ausgewachsen würde er ein stattlicher Mann sein.
    Eric war sich sicher, dass Landen manche Schikanen der Kleineren hätte beenden können. Er müsste nur ein paar Kampftechniken anwenden, die er längst gelernt hatte. Je länger Eric Landen beobachtete, umso mehr erschien ihm Landens Nachsicht mit seinen jungen Peinigern ein Ausdruck von Edelmut und nicht von Feigheit zu sein.
    Nachdem er Landen in einem anderen Licht sah, konnte er den einstigen Prinzen nicht mehr als ein Niemand abtun. Er begann, sich Gedanken über Landens innere Haltung zu machen, die ihn klaglos Spott und Schläge erdulden ließ.
    Denn er hätte auch fliehen können. Die Jungen wurden nicht bewacht. Zu den Baracken zu gehören, wurde als Privileg angesehen. Wer so dumm war zu gehen, verlor einfach seinen Platz. Landen konnte also fortlaufen. Doch er blieb.
    Eric hatte mit Phillt darüber gesprochen - vielleicht war Landen gar nicht so schlecht, man sollte Beron eine Lektion erteilen.
    Phillt hatte die Achseln gezuckt und gegrinst. „Nur du kannst dich mit Beron messen, Eric. Ich möchte mir dafür keine blauen Flecken holen."
    Jetzt schlug Eric mit der Faust auf einen Baumstumpf und stellte sich dabei vor, Berons breite Nase mit Fäusten zu bearbeiten. Beron ging entschieden zu weit. Er machte aus den Baracken einen Ort, für den Eric sich schämen musste. Es war an der Zeit, dass jemand sich ihm in den Weg stellte.
    In der Nähe erklangen hämische Schreie. Eric ging schneller.
    Landen hatte Angst. Er versuchte sich klein zu machen, sich zusammenzurollen. Er hatte Beron provoziert, was würde der große Junge jetzt machen? Beron war nicht nur stark, er war auch ein guter Kämpfer und auf Zerstörung aus. Wem machte es eigentlich etwas aus, wenn Landen verkrüppelt war oder tot? Er hatte hier keine Freunde. Niemanden, der ihm freundlich gesinnt war, außer vielleicht Prinzessin Torina, aber die bekam er nie zu sehen.
    Er hörte Schreie und Getrappel von Füßen. Die Jungen stoben davon.
    Landen atmete schwer und gab sich Mühe nicht zu weinen. Vergeblich versuchte er aufzustehen. Neben ihm hockte Eric.
    „Bleib lieber liegen", riet er, „dann geht es schneller vorbei."
    Landen wunderte sich, woher Eric das wusste. Prügelten sich alle Jungen in Archeld?
    Er gehorchte seinem Retter und erinnerte sich, dass der Augenblick unendlich ist.
    Erics feine, ebenmäßige Züge waren vor Zorn verzerrt. „Tut mir Leid, dass ich nicht früher eingeschritten bin." Ruhige, dunkle Augen blickten ihn verhalten freundschaftlich an.
    Landen wusste nicht, was er sagen sollte, und konzentrierte sich auf seine Atmung.
    „So", sagte Eric, „du möchtest also lernen zu kämpfen?"
    Landen nickte mühsam.
    „Gut. Ich werde es dir beibringen. Und du kannst mein Bogenschießen verbessern."
    Zum ersten Mal seit dem Untergang von Bellandra lächelte Landen.
    Am nächsten Morgen, als Landen vom Gong

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