Das Auge der Seherin
Emid besprechen, Bella?" Beron war mit seinem Gesicht ganz dicht herangekommen. Die Augenbrauen waren das Markenzeichen dieses großen Jungen. Sie waren dicht und buschig und zogen sich bis zu den Schläfen. Berons Faust traf Landen mitten in die Magengrube. „Na, wie fühlt sich das an, Bella?"
Landen wusste, dass Beron ihn erledigen würde, wenn er zurückschlug. Unternahm er nichts, würde er geschlagen und beleidigt werden, bis er schließlich gehen durfte. „Mach schon, Bella, was hast du ihm gesagt? Wolltest du dich etwa vor dem Turnier drücken?" Wieder schlug Beron zu.
Landen sah sich hastig um. Dort drüben stand ein Baum mit mächtigem Stamm, dort könnte er Rückendeckung nehmen.
„Ich sagte ihm, die Spielregeln werden deinem Kampfstil nicht gerecht."
Baron zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Du sagtest was?"
„Ich sagte ihm ..."
„Was?" Barons Augen verengten sich. „Wenn Emid deine wahren Kampfkünste erleben wolle, müsse er dich beim Turnier gegen jüngere und schwächere Jungen antreten lassen."
Warum redete er überhaupt? Bei Beron war es das Beste zu schweigen. All die Schikanen hatten ihn müde gemacht. Berons Fäuste konnten einen wirklichen Schaden anrichten.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich der Gesichtsausdruck bei einigen der Jüngeren veränderte. Vielleicht begriffen sie jetzt, dass Beron weder mutig noch tapfer war.
Berons Faust ließ Landen in die Knie gehen. Für den Baum war es zu spät. Die Schläge prasselten wie ein Steinschlag auf ihn herab. Er rollte sich zusammen, legte die Hände über seine Ohren und verbarg den Kopf zwischen den Knien.
Eric Aldon schlenderte durch den Wald in Richtung der Baracken und schlug im Vorübergehen mit seinen Fäusten Äste von den Bäumen. Es war ihm nicht wohl ums Herz. Bis vor ein paar Wochen hatte genau gewusst, wie das Leben funktionierte. Es war immer das Gleiche: früh aufstehen, in die Kleider schlüpfen, mit den anderen Jungen auf den langen Bänken im lauten Speisesaal frühstücken, den Tag über Kriegskünste trainieren, die Jüngeren anleiten und spielen. Alles Vorbereitungen auf den Tag, an dem er seinen Platz in der Schar der Krieger von Archeld einnehmen würde. Dieser Tag war nicht einmal mehr ein Jahr entfernt. Er war siebzehn, er war groß und stark und machte seinen Ausbildern alle Ehre.
Solange er in den Baracken gelebt hatte, hatte es immer wieder Rivalitäten gegeben, kleine Kriege zwischen ständig wechselnden Gruppen von Jungen. Banden wurden gebildet, brachen auseinander, bildeten sich neu. Aus Freunden wurden freundschaftliche Gegner, aus Feinden argwöhnische Freunde. Manche Jungen konnte er gut leiden. Er und Phillt standen meist auf derselben Seite. Und der kleine Zeon hängte sich an sie, wann immer sie es ihm erlaubten.
Dann gab es solche, die er nicht leiden konnte - Beron allen voran.
Doch Emid hatte den Jungen eingebläut, dass sie alle von einem unsichtbaren Band zusammengehalten wurden, dem wichtigsten Band überhaupt, dem Dienst für Archeld, für König Kareed, Königin Dreea und Prinzessin Torina. Auf dem Schlachtfeld würden die Streitereien vergessen sein, sie würden Kameraden sein, die treu zueinander stünden.
Emid war in allen Königreichen berühmt für die Krieger, die er und seine Offiziere ausbildeten. Unter seiner Anleitung zu lernen war eine große Ehre. Immer wieder wurden neue Jungen in die Baracken am Schloss aufgenommen, wo die besten Krieger von Archeld ausgebildet wurden. Jungen, deren Familien die Aufnahme beantragt hatten, die den Platz für ihren Sprössling ergaunert oder sich besondere Verdienste erworben hatten.
Jetzt war ein ganz anderer neu dazugekommen. Ein
Fremder, der Sohn eines besiegten Friedensfürsten. Eric fühlte sich unbehaglich.
Beron und seine Anhänger schikanierten Landen von früh bis spät. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Landens Essen verschwand, Kleidungsstücke wurden stibitzt und seine Suche nach fehlenden Schuhen oder Hemden von hämischem Gelächter begleitet. Sein Name und seine Heimat wurden ständig in den Schmutz gezogen, seine mangelhaften Fähigkeiten in der Kriegskunst unaufhörlich verspottet.
Zuerst war das Eric gleichgültig. Bellandra war auch zu dumm gewesen. Landen konnte von Glück reden, dass er lebte, von unglaublichem Glück unter Kareeds besonderem Schutz zu stehen und eine Ausbildung zu erhalten, die vielen ehrgeizigen Kandidaten versagt wurde. Keiner der Jungen verstand, was dieser Schwächling bei
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