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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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und geschieht das regelmäßig?" „Nein. Ich habe ihn vom Nachtessen ausgeschlossen, ihm die Teilnahme an Sportspielen verboten, ihm Strafarbeiten aufgegeben, es hat alles nichts genützt. Landen steckt die Strafen ohne Kommentar und sichtlich auch ohne Groll weg. Dann geht er wieder seiner Wege und zeigt keinerlei Reue."
    Eric konnte sein Lächeln nicht mehr zurückhalten.
    „Und er verrät nicht, wohin er geht?"
    „Er behauptet, er ginge Jagen und manchmal bringt er
    auch ein Kleinwild mit."
    „Habt Ihr ihn beschatten lassen?"
    „Ich habe das sogar zu einer Übung im Spurenlesen gemacht", sagte Emid achselzuckend. „Und wo liegt das Problem?", fragte Eric nun besorgt. Emid seufzte. „Ich bin für die Ausbildung dieses Burschen verantwortlich. Er ist noch ein Junge, das ist wahr, und ich halte ihn für herzensgut. Trotzdem, er ist der einzige Sohn eines besiegten Königs und wurde als Königssohn erzogen. Ich glaube, er wird niemals fraglos irgendwelchen Befehlen folgen. Und diese unschuldigen Jagdausflüge sind womöglich weniger harmlos, als sie erscheinen."
    Erics Miene hatte sich verschlossen. „Warum seid Ihr zu mir gekommen?"
    „Du bist sein Freund. Hat er dir jemals etwas davon erzählt?" „Nein."
    „Und wenn er es täte?"
    „Ihr fragt Euch, ob die Loyalität zu meinem Freund oder die Loyalität zu meinem König siegen würde?" Emid nickte angespannt. „Ich glaube, so ist es." „Eure Zweifel betrüben mich, Emid. Ihr habt mich ausgebildet. Ich bedaure, dass Ihr an Landen zweifelt. Landen ist mein Freund, zu dem ich allzeit stehen werde, doch darüber würde ich niemals vergessen, was meine Pflicht ist."
    Emid musste einsehen, dass er Landens Spur persönlich würde aufnehmen müssen.
    Gleich am nächsten Tag bot sich dazu eine Gelegenheit. Er unternahm mit den Jungen eine zermürbende Wanderung und befahl ihnen dann, sich in Kleingruppen wieder auf den Rückweg zu machen. Dabei beobachtete er sie und bemerkte, dass Landen weder eine Gruppe anführte noch sich einer Gruppe anschloss. Vorsichtig nahm er die Verfolgung auf.
    Emid staunte, wie schnell es dem Jungen gelang, von der vereinbarten Richtung abzuweichen, und er musste all seine Künste aufbieten, Landens trickreiche Ablenkungsmanöver zu durchschauen. Einmal verlor er fast die Spur und nur Dank seiner Hartnäckigkeit konnte er die Verfolgungsjagd fortsetzen.
    Landen eilte zu einer tief im Wald versteckten Wiese, die aber nicht weit vom Schloss lag. Zu seiner Verwunderung erblickte er dort im frischen Frühlingsgras, in Decken gehüllt, die alte Königin.
    Die Vorliebe der Königsmutter, mit ihrer Enkelin spazieren zu gehen, war allgemein bekannt. Emid hatte sie schon oft unterwegs getroffen. Die alte Frau war für kurze Ausflüge immer noch rüstig genug. Doch allein? Verwirrt ließ Emid die Wiese hinter sich und nahm wieder die in den Wald führende Spur seines Opfers auf. Schon bald stieß er auf kleinere Fußspuren, die in die gleiche Richtung führten. Wild schlug sein Herz. Landen und Prinzessin Torina? Was hatten die zwei miteinander zu schaffen? Sie kannten sich doch gar nicht - warum trafen sie sich dann? War es überhaupt ein Treffen? Oder hatte die Prinzessin, deren Neugier sprichwörtlich war, den Jungen bemerkt und war ihm nachgegangen?
    Emid arbeitete sich, geschützt vom zarten Frühlingslaub, weiter durch das dichte Unterholz. Lachen junger Stimmen drang wie Vogelzwitschern an sein Ohr. Vorsichtig robbte er weiter.
    Auf einer kleinen Lichtung zwischen den Bäumen entdeckte er Torina. Mit strahlendem Gesicht, leuchtenden
    Augen und wirrem Haar hielt sie Pfeil und Bogen in der Hand. Vergnügt und vertrauensvoll sah sie Landen an, der ihr Lächeln ebenso freundschaftlich erwiderte. „Aber warum soll ich mit der linken Hand schießen?", hörte Emid sie fragen.
    „Weil du mit der rechten schon so gut bist, dass ich dich nicht mehr besiegen kann", neckte er. „Lügner! Du besiegst mich doch immer!" „Du musst mit beiden Händen schießen können! Denk nur, deine rechte Hand wäre verwundet." „Warum sollte mich jemand verwunden?" „Niemand würde es wagen, einer Prinzessin etwas zu Leide zu tun. Aber wenn es doch einmal geschähe, vergiss nicht, dass du dein Königreich beschützen willst." Ihr Königreich beschützen!, dachte Emid empört. Dafür hatte sie doch Krieger! Was führte dieser Junge im Schilde? Torina war eine Prinzessin, sie sollte sich vor nichts fürchten müssen.
    Plötzlich kam Emid ein Gedanke. Als Prinz

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