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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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Wie war er in den Besitz der Kristallkugel gekommen? Sie strahlte noch die Wärme seines Körpers aus. Der Kristall zeigte einen mit Holz getäfelten Raum, der von kleinen, matten Regenbogen durchzogen war. Torina erkannte das Zimmer ihres Vater, in das er sich gerne zurückzog, wenn er ungestört über wichtige Entscheidungen nachdenken wollte.
    Dann erschien ihr Vater. Er war allein, den unbedeckten Kopf dem Kaminfeuer zugewandt. Er fuhr herum, als die Tür aufging und Vesputo hereintrat. Sie hörte die Tür hinter Vesputo leise ins Schloss fallen und sah den König, der ihn heranwinkte und sich wieder dem Feuer zuwandte.
    Nein, Papa!, schrie sie lautlos. Sie war entsetzt über Vesputos Gesichtsausdruck, aus dem skrupellose Entschlossenheit sprach. Sie streckte die Hand aus, als könnte sie ihn aufhalten.
    Mit ein paar Schritten stand er hinter dem König. Er
    zog ein kleines Stilett aus dem Gürtel.
    Nein!, rief sie Kareed zu, der den Kopf drehte, als wollte
    er ihr antworten. Zu spät - Vesputo stach dem König das Stilett in den Rücken und der Kristall verdunkelte sich.
    Torina streckte die Hand nach der Gestalt von Landen aus, die sich eben zwischen den Bäumen entfernte. Sie atmete schwer und formte lautlos und mit blassen Lippen seinen Namen, wollte ihn herbeirufen. Doch dann war Landen hinter einer Erhebung verschwunden.
    In einem geräumigen Nebenraum des Festsaals standen Vesputo und Dreea. Er war prächtig gekleidet und fühlte sich mit jedem Zoll ein König. Heute war der Abend, an dem sich alles entscheiden sollte, wofür er so lange gearbeitet hatte. Ein üppiges Fest war bereitet und Kareed hatte sich in seine Privatgemächer zurückgezogen, um sich für die Festlichkeiten, die der Heirat vorausgingen, vorzubereiten.
    Während der vergangenen zwei Jahre hatte Vesputo immer wieder Zweifel gehabt, ob die Prinzessin sich zu einer Heirat mit ihm überreden lassen würde. Seit ihrer Kindheit hatte er sie beobachtet und sich alle ihre Gewohnheiten und Vorlieben gemerkt. Das hatte sich bezahlt gemacht. Jetzt war sie sein - sie hatte seinen Antrag angenommen und in ihren Augen hatte er den Beweis für ihre Liebe gefunden.
    Von Dreea wusste er von der unsäglichen Trauer des Mädchens. Vesputo konnte sich vorstellen, wie sehr sie unter dem Tod Ancillas litt. Er verfluchte im Stillen den unpassenden Zeitpunkt ihres Todes und hoffte, dass dadurch keine Verzögerung eintreten würde. Er wollte Torina endlich wieder sehen, denn seit seiner Rückkehr war sie für ihn unerreichbar gewesen. Das beabsichtigte Treffen bei der Beerdigung konnte nicht stattfinden, weil Kareed, um selbst an der Beerdigung teilnehmen zu können, ihm dringende Geschäfte übertragen hatte, denen er sich natürlich nicht hatte entziehen können.
    Ein Klopfen kündigte Mirandae an. Ihre gerunzelte Stirn spiegelte Dreeas besorgten Gesichtsausdruck wieder.
    „Gnädigste, wir haben überall gesucht. Im Schloss ist sie nicht."
    „Armes Kind. Sie ist außer sich. Wer hat sie zuletzt gesehen?", fragte die Königin freundlich. „Das war ich, glaube ich", antwortete Mirandae, „als ich zum Grab zurückgegangen bin."
    Dreea wandte sich an Vesputo, der die schlimmsten Befürchtungen hegte.
    „Ich hätte bei ihr bleiben sollen. Aber ich dachte, sie würde mit den anderen kommen. Während Eurer Abwesenheit, Vesputo, hat sie nur von Euch gesprochen. Aber seit dem Tod ihrer Großmutter ist sie vom Schmerz überwältigt."
    Vesputo fragte Mirandae: „Ihr habt mit ihr am Grab gesprochen?" Ja, Herr." „Was hat sie gesagt", forschte er weiter und versuchte den Ton des besorgten Liebhabers zu treffen. Mirandae erhob die Arme. „Sie sagte, die Hochzeit könne nicht stattfinden! Sie wollte bei ihrer Großmutter bleiben."
    Vesputo ballte die Fäuste und versteckte sie schnell hinter seinem Rücken. „Teuerste Königin", sprach er, „gestattet, dass ich mich entferne und mich persönlich darum kümmere."
    „Ach, bitte, Vesputo. Ihr könnt ihr sicher am ehesten helfen. Bitte lasst uns sofort wissen, was Ihr erreicht habt."
    Vesputo verbeugte sich und ging sofort. Seine Handflächen waren kalt und schweißig, als er die Gänge entlang eilte.
    Und wenn Irene Recht hat? Ob Torina wirklich etwas gesehen hat...?
    Vesputo knirschte mit den Zähnen. Das war die einzige Erklärung, warum sie ihm auswich. Normalerweise wäre sie ihm entgegengerannt, vor allem nach dieser Reise. Unbedacht hatte er ihren Rückzug auf Ancillas Tod zurückgeführt.
    Jetzt aber

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