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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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Liebling?" „Oh, Papa ...!", sprach sie mit bleichen, bebenden Lippen.
    „Was hast du, Torina? Was ist los?"
    „Papa, Ihr müsst - Ihr müsst mir genau zuhören!"
    „Sprich, was ist geschehen."
    „Nicht, was ist geschehen, was wird geschehen!"
    Er lächelte. „Angst vor der Hochzeit? Das macht dir
    Kummer? Torina, ich verspreche dir ..."
    „NEIN!", stieß sie so heftig hervor, dass er erschrak.
    „Was ist es dann?"
    „Erinnert Ihr Euch an den Kristall, den Ihr mir aus Bellandra mitgebracht hattet?"
    „Ein Kristall?", fragte er stirnrunzelnd. „Bellandra? Torina, es gibt Dinge, die ich bedaure ..." Er zog seine Hand fort. Sie ließ es nicht zu und hielt sie fest. „Die Kristallkugel! Ihr habt sie mir geschenkt! Erinnert Ihr Euch?" Ihre Stimme bebte. „Ich ... kann mich dunkel erinnern." „Papa, ich kann die Zukunft darin sehen!" „Die Zukunft?"
    „Glaubt mir, Papa, ich habe vieles darin gesehen und alles ist wahr geworden!" Die Gefühle schienen sie zu
    übermannen, sie sah ihn mit entsetzten und flehenden Augen an. Sie zitterte, obwohl sie einen wollenen Umhang anhatte und am Feuer saß.
    „Ach, hätte ich Euch nur früher davon erzählt! Jetzt müsst Ihr mir einfach glauben ..." „Dir glauben!"
    „Papa, ich habe", sie schluckte. „Ich habe ..."
    „Ruhig, mein Kind. Wovon sprichst du?"
    „Ich habe gesehen, wie Vesputo ...", sie konnte kaum
    weitersprechen.
    Ja?" Der König rieb ihre Handgelenke.
    „Papa, ich liebe dich."
    „Und ich liebe dich auch, mein Liebling."
    Wieder ging die Tür ohne Anklopfen auf. Auf der
    Schwelle stand Vesputo und ließ die Tür hinter sich ins
    Schloss fallen.
    Der König erhob sich und befreite sich von Torinas hektischer Umklammerung. Sie versuchte etwas zu sagen, brachte aber kein Wort hervor. „Vesputo."
    „Mein König." Die Stimme des Mannes war ruhig und ehrerbietig. Er kam auf sie zu, den Blick auf Torina geheftet. Er war prächtig gekleidet und bewegte sich mit gewohnter, unbeirrbarer Leichtigkeit. Der König räusperte sich. „Entschuldigt. Meine Tochter und ich haben etwas zu besprechen." „Ach", antwortete Vesputo, änderte seine Schritte jedoch nicht. Seine Augen leuchteten dunkel, als er näher kam.
    „Es dauert nur einen Moment. Ich wollte nicht stören.
    Ich muss Euch nur etwas fragen."
    „Nun gut", gab der König nach. „Was ist es?"
    Hinter sich hörte er Torinas Schrei. „Nein, Papa! Nein!
    Lasst ihn nicht in Eure Nähe!"
    Vesputo war neben ihn getreten und schlug ihm auf die Schulter. Ein plötzlicher Schmerz durchzuckte ihn und explodierte. Er versuchte noch, sich zu dem Verräter umzudrehen, stolperte aber nur nach vorn. Ein scharfer, unerbittlicher Schmerz bemächtigte sich seines Herzens.
    Der kampferprobte König suchte nach seinem Feind und konnte ihn nicht finden. Er setzte zu seiner Herrscherstimme an und brachte keinen Laut hervor. Seine starken Arme, die so viele geschlachtet hatten, verweigerten ihm den Gehorsam. Die Welt um ihn verdunkelte sich und erlosch.

 
7. Kapitel
     
    Torina war mit einem Stück Stoff geknebelt und an einen Stuhl gefesselt. Ihre Fußgelenke waren zusammengebunden, ihre Arme auf den Rücken geschnürt. Sie befand sich in ihrem eigenen Schlafgemach. Leuchter waren entzündet. Vor ihr stand ein großer Mann, den sie schon mit Vesputo zusammen gesehen zu haben glaubte. Sie hatte einen merkwürdigen Geschmack im Mund und ihr Kopf dröhnte. Neben ihr stand Vesputo und streichelte ihr Haar. „Aufgewacht, meine Liebe?" Sie sah ihn böse an.
    „Danke, Toban. Ich möchte jetzt allein mit der Prinzessin sprechen."
    Der Wächter entfernte sich. Torina und Vesputo waren allein.
    „Entschuldige, dass sie so grob waren, Liebling." Er hielt drohend den Finger hoch. „Ich werde jetzt deinen Knebel lösen. Du hast nie gelernt, deinen Mund zu halten. Das werde ich dir beibringen müssen. Von Stund an wird jedes gegen mich gerichtete Wort einen Menschen, den du liebst, ins Grab bringen. Also, nimm dich in Acht."
    Er durchschnitt den Knebel mit seinem Dolch. Die Stille im Zimmer kam ihr unerträglich laut vor. „Erst die Großmutter, dann der Vater. Verständlich, dass du nach den zwei Trauerfällen niemanden sehen kannst. Ich habe mir die Freiheit genommen, die Gäste fortzuschicken "
    „Zu spät", sagte sie traurig. „Liebster Papa, ich war zu spät."
    „Das kann passieren. Wir alle machen Fehler." Ihr schauderte unter seinem kalten Blick. „Ihr, Ihr habt Euren König ermordet", sagte sie mit hasserfüllter

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