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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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beeinflussen kann, wenn ich schnell genug reagiere. Doch diesmal war ich zu langsam Oh, Papa, ich habe dich im Stich gelassen. Seine Augen verdunkelten sich. „Was du willst, spielt hier keine Rolle mehr, meine Liebe. Du musst lernen, genau das zu tun, was ich sage." Er ging zur Tür. „Ich zähle die Minuten, bis wir uns wiedersehen, meine wunderschöne Braut."
    Torina wollte aus vollem Halse schreien, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Er würde sogar meine Freunde töten, dachte sie schaudernd und starrte verzweifelt an die Wand.
    Eine Frau in einem reich verzierten, zartgelben Seidenkleid betrat den Raum. Langes, geflochtenes Blondhaar floss unter einer bestickten Haube hervor und ein leichter Schleier bedeckte ihr Gesicht. Sie lüftete den Schleier.
    „Irene wird dir aufwarten", sagte Vesputo über die Schulter und ging.
    Diese neue Ungeheuerlichkeit kränkte Torina besonders. Ihr Leben kam ihr wie ein Scherbenhaufen vor, der sich nie mehr zu einem Ganzen zusammenfügen lassen würde.
    Irene befreite sie von ihren Fesseln und fragte, ob sie etwas essen und trinken wolle.
    Torina verneinte bedrückt, sie hatte keinen Hunger. Sie legte sich nieder und betete im Süllen um den Schlaf des Vergessens.
    Landen lenkte sein Pferd zum Missthpass im Cheldangebirge und war froh über die völlige Einsamkeit, die ihn umgab. Hier war selbst die Natur abweisend und kalt, überall Steine und durchdringender Wind. Er wollte nach Desante, dem östlichen Nachbarn von Archeld. Er wusste nicht viel mehr über dieses Land, als dass es tiefe Wälder und weite Weideflächen besaß. Und er kannte den Namen des Königs: Ardesen. Das Cheldangebirge bildete die Grenze zu Desante und der Misshtpass galt als äußerst gefährlicher Übergang. Weiter im Süden waren die Berge weniger hoch. Der Angrerapass war viel bequemer, aber wahrscheinlich auch besser bewacht. Landen hatte den einsameren Weg gewählt, um die Grenzposten besser umgehen und seine Verfolger abschütteln zu können. Nur ein schmaler Pfad führte durch die abweisende Landschaft um den Misshtpass. Sie traf genau seinen Gemütszustand, als er weiterritt.
    Jetzt kam es darauf an, keine Zeit zu verlieren. Er ritt ohne anzuhalten. In seinem Inneren herrschte ein Aufruhr von Gefühlen, denn es würde ihm unmöglich sein Torina beizustehen, wenn sie ihrem schlimmsten Feind gegenüberstand. Trauer und Sorge hielten ihn auf seinem langen Ritt wach.
    Doch was brachte er für einen Neuanfang in einem anderen Land mit? Seine Geisteshaltung, sein wehes Herz und seine geschickten Hände. Das Pferd, das ihm zum Freund geworden war, musste er verkaufen und auch den dicken Mantel, der ihn im Gebirge schützte, musste er loswerden
    „Und alles, was sonst zu meinem Leben in Archeld gehörte", bemerkte er zu einer krummen Fichte, die sich gegen die Felsen oberhalb der Baumgrenze krümmte. Vom Pass aus blickte er voller Sorgen ein letztes Mal auf Archeld zurück. Er konnte weit in alle Richtungen sehen.
    Im Norden lag Glavenrell. Dort herrschte Dahmis, ein mächtiger König, der sich für ein breites Friedensbündnis einsetzte. Die Könige im Norden schätzten ihn als Vermittler in Grenzkonflikten und bei Handelsstreitigkeiten. Diesem König wollte Landen dienen. Aber je nachdem wann Vesputo zuschlug, waren ihm seine Verfolger bereits auf den Fersen. Er wollte Dahmis nicht unter die Augen treten als einer, der nur ein Kopfgeld auf sich anzubieten hatte. Wenn Vesputo Kareed ermordete, wäre er, Landen, der willkommene Sündenbock. Er dachte über sein seltsames Schicksal nach, das ihn hoffen machte, Kareed möge ein langes Leben leben. Tatsächlich wünschte er dem Mörder seines Vaters, dem Plünderer Bellandras, dem Zerstörer des Zauberschwerts, noch etwas Zeit, denn solange der König lebte, war auch Torina in Sicherheit.
    Im Südwesten lag die Provinz von Archeld, die einst Bellandra gewesen war. Dorthin zog es Landen nicht. Nach allem, was er über seine frühere Heimat hatte in Erfahrung bringen können, wusste er, dass das Land sich seit seiner Kindheit völlig verändert hatte. Sicher, es gab immer noch Kunsthandwerker. Die Töpferwaren Bellandras erzielten einen hohen Preis. Die Stoffe waren überall in Mode. Der wahre Herrscher aber hieß Gier. Er hatte gehört, dass die Menschen vor allem um die Sicherung ihres Reichtums kämpften. Die mystischen Heiler und Seher waren fort. Es hieß, sie seien unmittelbar nach dem Fall Bellandras verschwunden. Gerüchte behaupteten sogar, sie

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