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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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nicht einmal mehr darüber freuen.
    Drei Tage später stand Beron wieder vor Vesputo. Seine Kleider waren lehmverschmiert, sein Gesicht schweißüberströmt. Vesputo erwartete seinen Bericht mit finsterer Miene. „Nun, Hauptmann?"
    Beron befeuchtete seine Lippen. „Herr, ihre Spur verschwindet an einem Fluß hinter der Ebene, kurz vor dem Gebirge." „Bist du dem Fluß gefolgt?"
    „Ich habe das Ufer in beide Richtungen über zehn Meilen abgesucht und nichts gefunden. Keine Fußspuren. Nicht einmal ein Haar von ihr." „Keine Kampfspuren?"
    „Nein, Herr. Kein Blut, keine Knochen, keine Schleifspuren, kein geknickter Grashalm. Allerdings hat es die ganze Zeit geregnet."
    Vesputo runzelte die Stirn. „Glaubst du, sie lebt?" „Herr, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es nicht für möglich halten. Käme ein Mann mit dieser Geschichte zu mir, würde ich ihn fortjagen und verfluchen."
    Vesputo setzte sein eiskaltes Lächeln auf. „Hauptmann, ich halte dich weder für einen Narren noch für einen Lügner. Sie ist eben schlauer, als wir dachten" „Danke, Herr."
    „Ohne Hilfe wird sie bald verhungern oder erfrieren. Bist du sicher, dass sie allein war?"
    Ja, Herr, ganz bestimmt. Aber ich traf Amber am zweiten Tag meiner Suche. Und Herr, ich folgte seinen Hufspuren und sie endeten im Vorgebirge. Eric muss gelogen haben, was die Zeit anbetrifft."
    Vesputo stand auf dem auf einer felsigen Erhebung angelegten Beobachtungsstand und ließ die unendliche Weite der Ebene auf sich wirken. Weit in der Ferne zeichneten sich imposant die Umrisse des Cheldangebirges ab. Vesputo war noch nie auf der anderen Seite der Berge gewesen.
    Seine Feldzüge hatten ihn immer nach Norden oder nach Süden geführt.
    Der Herrscher von Desante, König Ardesen, hatte mit Kareed wohl oder übel einen Waffenstillstand geschlossen, und als Kareed gestorben war, hatte Vesputo einen Boten nach Desante geschickt. Dieser kehrte mit Ardesens Beileidsgrüßen zurück und berichtete von der mühsamen Überquerung des Gebirges. Konnte Torina um diese Jahreszeit lebend übers Gebirge gekommen sein? Was sollte sie den Grenzposten sagen?
    Sie gab bestimmt eine merkwürdige Figur ab, mit ihren geschorenen, roten Haaren und dem Seidenkleid. Wahrscheinlich war sie auch noch in Pferdedecken gehüllt. Vesputo biss sich wütend auf die Lippen. Beron hatte sich zu eng an seinen Befehl gehalten und war zurückgekehrt, sobald er die Spur verloren hatte. Jetzt musste er darauf hoffen, dass Kälte, Feuchtigkeit und Hunger ihr den Rest geben würden. Hinter ihm knirschten Steine, es war Beron, der Eric zu ihm brachte. Die Hände des jungen Mannes waren auf den Rücken gebunden, trotzdem war sein Gang fest und aufrecht, als weigerten sich seine Beine, die Demütigung anzuerkennen. Die klaren, dunklen Augen hatten Ringe vor Erschöpfung.
    Als die beiden nahe genug waren, sagte Vesputo: „Schaut einmal über diese Ebene, Eric. Und dann verratet mir, wie ein Pferd vom Morgen des einen Tages bis zum Abend des nächsten Tages bis zum Fuß des Gebirges und wieder zurück kommen kann." In Erics Gesicht zuckte es und er fragte: „So weit?" „Ihr habt gelogen, was den Zeitpunkt anbetrifft, an dem das Pferd geholt worden war. Warum?" „Ich ... ich ..."
    „Seit wann kennt Ihr Prinzessin Torina?" Eric reckte das Kinn. „Ihr ganzes Leben schon", antwortete er stolz.
    „Wahrscheinlich steht sie auf der Schwelle des Todes", sagte Vesputo und sah Eric lauernd mit einem schmalen Lächeln an.
    „Eure Frau ist erkrankt?"
    „Meine Frau ist kerngesund." Vesputo machte eine weit ausholende Geste über die Ebene. „Torina jedoch, ganz allein dort draußen, ohne Nahrung, ohne warme Kleidung..."
    Der junge Mann erbleichte.
    Ja, sie ist nach Osten geritten. Und nun, Eric, redet. Ihr seid ein kluger Krieger, Ihr würdet niemals mein kostbarstes Pferd im Morgengrauen einer Edelfrau geben, selbst wenn sie sich auf den König beriefe. Aber eine aufgeregte Prinzessin spät am Abend, das ist etwas anderes ..."
    Überrascht bemerkte Vesputo, wie Farbe in Erics Gesicht zurückkehrte und er sich aufrichtete. „So habt Ihr sie nicht gefangen!", frohlockte er und fügte verwirrt hinzu: „Aber wen habt Ihr dann geheiratet?" Vesputo überging die Frage. „Sie hat Euch tatsächlich beschwätzt und Euch vergessen lassen, dass Ihr zuerst dem König dient?"
    Eric atmete tief ein und blickte über die Ebene. „Der König, dem ich diente, ist tot." Die Worte kamen ernst und

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