Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
Vom Netzwerk:
dass Vesputo dich nicht unter den Tisch trinkt. Davon hängt alles ab." „Bellanes, ich kann jeden unter den Tisch saufen." „Nicht Vesputo. Andris, schwöre mir, dass du nüchtern bleibst. Ich brauche deinen ganzen Verstand. Du darfst nur so tun, als seist du betrunken."
    „Aber du weißt doch, wie gern ich Wein trinke. "
    „Ja. Und ich weiß, du hast mich so gern, dass du auf ein paar
    Gläser verzichten kannst, um für diese Schlacht gerüstet zu
    sein!"
    „Schlacht? Du hast doch gesagt, niemand würde dabei umkommen! Was für eine Schlacht? In einer Schlacht wäre mir wohler."
    „Das wird deine größte Schlacht werden, Andris. Und nun schwöre."
    Und Andris schwor.
    Während des Festmahls war es ganz einfach. Immer wenn der König aufschaute, hob Andris sein Glas und trank. Sobald der König sich wieder seinem Teller zuwandte, spuckte Andris den Wein in seine Serviette, die bald durch und durch nass war. Andris stieß das durchweichte Tuch unter den Tisch und stahl sich ein neues von seinem Nachbarn zur Linken, der nichts bemerkte. Trotzdem musste er hin und wieder einen Schluck nehmen, denn Vesputo ließ sich nicht leicht etwas entgehen. Die Mägde geizten nicht mit dem Nachschenken und die Kelche waren groß wie Schüsseln. Andris fühlte sich allmählich ziemlich beschwipst. Die anderen Männer an der Tafel prosteten einander lautstark zu.
    Als das Essen abgeräumt war, heftete Vesputo seine Augen auf Andris, der ein Schaudern unterdrücken musste. „Nun, mein Freund", fragte der König, „erzählt, wie Ihr den Mörder erwischt habt."
    Andris tat einen kräftigen Zug aus dem Kelch und schluckte. Köstlich, wie das schmeckte! Aber es machte ihn wütend, wie über Bellanes gelästert wurde. Mörder?
    Bellanes hatte noch nie jemanden umgebracht. Tat alles, nur um nicht töten zu müssen. Ein paar seiner Leute hatten ihn deswegen geneckt. Einer, Eban, hatte ihm sogar Schwäche vorgeworfen.
    „War es Schwäche, dass ich dich habe leben lassen, Eban ? Lass dir eins gesagt sein! Den Starken töten, um deine eigene Stärke zu beweisen ist kindische Schwäche. Den Narren töten ist lächerliche Schwäche. Einen Schwächeren töten ist teuflische Schwäche. Aber dein Ziel erreichen ohne zu töten, deinen Geist bezwingen, wenn du töten willst - das ist Stärke!" Alle waren daran erinnert worden, wem sie ihr Leben zu verdanken hatten, und Eban entschuldigte sich.
    Der verschwundene Prinz von Bellandra. Kein Wunder, dass er nie getötet hat.
    Andris kehrte in die Gegenwart und zu Vesputos kaltem Blick zurück.
    „Ach, Herr, zum Teil war es einfach Glück. Zufällig hörte ich, wie er es jemandem sagte, dem er meinte vertrauen zu können." Andris sprach absichtlich mit schleppender Stimme, und es fiel ihm leicht, allzu leicht.
    Ach Bellanes. Ich spüre den Wein. Aber der Mann hier ist wie aus Stein.
    „Habt Ihr nach ihm gesucht?", fragte Vesputo.
    Jaaa, Herr", nuschelte er, „fünfzig Raschus sind keine
    Kleinigkeit. Ich habe ihn gejagt."
    Der König nahm einen ordentlichen Schluck. Als er den leeren Kelch absetzte, waren seine Augen glasig. So ist er doch aus Fleisch und Blut.
    „Ich musste den Kerl eiskalt zusammenschlagen", erzählte Andris.
    „Eiskalt wird er spätestens morgen Abend sein", antwortete der König und stieß ein wenig mit der Zunge an. Andris zitterte innerlich vor Aufregung. Also morgen sollte der Gefangene hingerichtet werden. Er erhob seinen Kelch und prostete Vesputo zu. „Auf das Kopfgeld!"
    Er trank den Kelch in einem Zug aus und knallte ihn auf den Tisch. Vesputo befahl den Mägden nachzuschenken. Schnell wurden ihre Kelche wieder gefüllt.
    „Auf Euch, Corbin. Morgen erzähle ich Euch von den anderen Kopfgeldern. Könnt Ihr auch Frauen jagen?" Der König legte den Kopf in den Nacken und stürzte den guten Wein hinunter wie Wasser. Beron erhob sich unsicher und fiel schwer zu Boden. Andris brüllte vor Lachen.
    Je mehr, je lieber! Auf die Weiber!", schrie er, nahm einen Schluck Wein und spürte ihn wohlig die Kehle hinunterrinnen.
    Wieder leerte Vesputo sein Glas und sogleich wurde ihm nachgeschenkt.
    „Auf die Weiberjagd!" Der König erhob seinen Kelch.
    Andris trank und Vesputo sah ihm dabei zu.
    „Auf den Wein!", brüllte der Riese. Er stieß mit Vesputo
    an und verschüttete dabei seinen Wein über den
    Tisch.
    Der König trank. Andris schaute sich um. Die übrigen Männer waren sinnlos betrunken und lagen ausgestreckt am Boden. Endlich rutschte Vesputo vom Stuhl und sackte

Weitere Kostenlose Bücher