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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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kam frühzeitig zum Rat der Könige. Er wollte die anderen Herrscher beim Eintreten beobachten. Der Raum, der für diese historische Versammlung gewählt worden war, war groß und gediegen. Alle Oberflächen waren poliert, die dicken Teppiche aus Glavenrell gebürstet.
    Nachdem er Dahmis ehrerbietig begrüßt hatte, stellte Vesputo sich nach hinten, sein Gesicht zu königlicher Würde erstarrt. Er fürchtete, Torina könnte den Oberkönig gewarnt haben. Er musste vorsichtig sein und jeden seiner Schritte genau abwägen.
    Ardesen, der König von Desante, stürmte grimmig herein und ließ sich vor Dahmis zu einer höflichen Verbeugung herab, grauhaarig überragte er den Oberkönig um Haupteslänge. Der wilde Mlaven, Herrscher über Emmendae, dem rauen Land im Norden von Glavenrell, begrüßte Dahmis mit einer Umarmung. „Nun, mein Freund", hörte Vesputo Mlaven sagen, „was rät Euch Eure Wahrsagerin?"
    Im Gesicht des Oberkönigs zuckte ein Muskel. „Sie hat ihre Hilfe eingestellt", antwortete er leise. „Keine Prophezeiungen mehr! Das sind schlechte Nachrichten! Ihr müsst herausfinden, wie hoch ihr Preis ist, Herr!"
    „Solche Anreize sind bei ihr zwecklos", antwortete Dahmis.
    Vesputo biss die Zähne zusammen, um nicht in triumphierendes Gelächter auszubrechen. Torina hat mit dem Oberkönig gebrochen! Jetzt muss sich der Narr auf seine eigenen, hochfliegenden Visionen verlassen.
    Als der Rat zusammengetreten war, forderte Dahmis Vesputo auf, den anderen zu berichten, was seine Späher herausgefunden hatten: Der Hauptangriff der Sliviiter sei in Archeld auf dem Gebiet des ehemaligen Bellandra geplant.
    „Die Bellanbucht ist besser zugänglich als alle übrigen Küstenabschnitte südlich von Emmendae", sagte Vesputo, „und in einer Woche wird das Wasser wieder warm sein. Von dort können sie ungehindert Archeld plündern und weiter nach Glavenrell oder Desante ziehen." „Genau das würde ich auch tun mit so einer Flotte", tönte König Mlaven.
    „Wie stark sind unsere vereinten Truppen?", fragte Ardesen von Desante.
    „Wir haben fünfzigtausend Mann", antwortete Dahmis, „und wir schätzen die Sliviiter auf dreißigtausend, Söldner eingeschlossen."
    „Wie sollen wir unsere Soldaten aufteilen?" Diese Frage kam von Endak, dem stillen König von Davia. „Wir können unsere Länder natürlich nicht ganz schutzlos lassen", erklärte Dahmis.
    „Wenn wir davon ausgehen, dass der Hauptangriff auf die Bellanbucht gerichtet ist, sollten wir unsere Truppen dort konzentrieren und die Nachrichtenübermittlung so beschleunigen, dass wir im Fall unvorhergesehener Ereignisse Verstärkung schicken können."
    Der Rat war zu Ende und die Könige kehrten in ihre Länder zurück. Alle hatten sich bereit erklärt, ihre tapfersten Krieger unter der Führung eines vertrauenswürdigen Generals zur Küste von Archeld zu schicken. Larseid sollte mit den Generälen eine gemeinsame Verteidigungslinie aufbauen. In einer Woche würden die Truppen aufbrechen. Dahmis war stolz auf die gute Zusammenarbeit der Bündnispartner. Ein historischer Wendepunkt war erreicht. Die Könige trafen und berieten sich, es gab kaum noch Feindseligkeiten und jeder stellte sein Interesse unter die gemeinsame Sache. Das war ein Sieg, wie der Oberkönig ihn sich wünschte. Vor Glück hätte sich der Himmel vor ihm auftun können, allein der Gedanke an Vineda verlieh dem Ganzen einen Misston.
    Über Ardesen ließ Dahmis eine Einladung an Bellanes schicken, und schon nach wenigen Tagen erhielt er die Nachricht, die Männer hätten unweit der Stadt Glaven ihr Lager aufgeschlagen. Bellanes, der seinem wachsenden Ruhm scheu auswich, wollte sich nicht in der Öffentlichkeit mit dem König treffen. Er ließ Dahmis den Standort seines Lagers mitteilen und dieser ritt mit Larseid zu ihm hinaus.
    Abends kamen sie an und wurden von einem Mann mit einem blaurot vernarbten Gesicht angehalten. „Die Losung", forderte dieser streng. „Der Frieden kommt."
    Der Mann führte sie an ein Lagerfeuer. Bellanes kam ihnen lächelnd entgegen.
    „Mein Herr." Er zeigte in die Runde am Feuer. „Das ist meine Bande. Männer! Der Oberkönig und General Larseid." Dahmis lächelte im Stillen über die plötzliche Unruhe unter den Männern. Offenbar hatte Bellanes sie nicht vorbereitet. Sie standen stocksteif da und der Mann, der nach der Losung gefragt hatte, schien einer Ohnmacht nahe. „Ich ... ich, mein Herr ..."
    „Bangor, der Oberkönig weiß, wie wichtig eine Losung sein

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