Das Auge der Seherin
aufs Spiel zu setzen.
Ist Landen nur aus seinem Versteck gekommen, um mich zu verspotten ? An seiner Stelle hätte ich getötet. Ja, die Zeit war reif. Das Schicksal wollte es so. Er würde das Schwert nehmen und sich seinen rechtmäßigen Platz in der Geschichte erobern.
Mit unterdrückter Erregung entließ Vesputo seine Wachen und stieg allein die Stufen zu der geheimen Kammer hinab. Seine Fackel warf flackernde Schatten an die dunklen Wände. Erwartungsvoll betrat er das Verlies. Er hielt die Fackel vor sich her und sein erster Gedanke war, die Kiste sei weggerückt worden, denn sie stand nicht in seinem Sichtfeld. Seine Hände wurden eiskalt, er suchte alle vier Wände ab. Aber er sah nur die Umrisse zugedeckter Kisten, die für das Schwert zu klein waren. Vesputo unterdrückte seine panische Wut, schwenkte das qualmende Licht hin und her und sah sich in dem modrigen Raum um. Nichts.
Es musste da sein. Er steckte das Licht in eine Wandhalterung und deckte jede einzelne Kiste ab. Viele waren es nicht und er war bald fertig damit. Das Schwert von Bellandra war verschwunden. Alles, was von ihm übrig geblieben war, war ein wenig Staub. Er setzte sich auf eine modrige Holzkiste und schlug die Fäuste gegeneinander.
Wie? Vesputo war nicht abergläubisch, er hatte sich immer als Herr über sein Schicksal gefühlt. Das Verschwinden des Schwerts hätte er niemals mit Zauberkräften in Verbindung gebracht. Nein, das war das Werk eines Menschen. Wer?
Gedankenverloren spielte er mit seinem Schlüsselbund und zählte die Schlüssel ab, bis er den Schlüssel zum Geheimverlies berührte. Nur der König ist im Besitz dieses Schlüssels. Plötzlich schloss er den kantigen Metallschlüssel so fest in seine Hand, dass der in seine Haut schnitt. Blut tropfte auf den Boden, doch er achtete nicht darauf. Er erinnerte sich, wie er seine verlorenen Schlüssel wiederbekommen hatte. Ein Häufchen verängstigter, junger Soldaten hatten sich ihm wie ein Mann genähert.
Ihm allein gegenüberzutreten hatte keiner sich getraut. Sie schworen, die Schlüssel des Königs seien auf den Stufen zum Schlosshof gefunden worden. Am selben Morgen, als Landen verschwunden war. Landen. Die Schlüssel. Er hat seine Zelle wieder abgeschlossen, als er ging. Die Leute sollten denken, der Geist von Bellandra hätte ihm zur Flucht verholfen. Aber ich weiß, dass er die Schlüssel hatte. Das würde alles erklären. Deshalb hat er sich in meine Gewalt begeben. Er wollte das Schwert von Bellandra stehlen.
Vesputo griff nach der Fackel. Er hielt sie dicht an den Boden und untersuchte den Staub. Seine eigenen Fußabdrücke waren deutlich zu sehen, sie waren über den ganzen Raum verteilt. Aber sonst war der Boden sorgfältig gekehrt und zeigte keine Spur der Eindringlinge. Aber sie waren hier. Ich weiß es. Landen und Corbin. Aber wenn er es genommen hat, warum hat er es dann nicht benutzt ? Und woher wusste er, wo es ist? Das bestgehütete Geheimnis meines Königreichs. Ich habe niemandem etwas davon erzählt, niemandem. Kareed muss das Versteck jemandem verraten haben.
Aber wem?
War wieder Torina im Spiel? Hatte sie sich mit Landen verbündet? Hatte sie das Schwert in ihrem Stein gesehen und ihm verraten, wo es ist?
Der König setzte seine offizielle Miene auf, um seine Wut nicht zu zeigen und verlies das Gewölbe. Keine lebende Seele sollte je erfahren, was er über das Schwert von Bellandra wusste. Es sollte ein Geheimnis bleiben, das ihm Macht verlieh.
Wenn Landen es hat, werde ich Mittel und Wege finden, es mir wiederzuholen.
Oben ging Vesputo mit schweren Schritten durch die Gänge und suchte nach einem Opfer, an dem er seinen Zorn auslassen konnte.
Beron rannte ihm entgegen und schwenkte ein paar Briefe in seinen mächtigen Pranken. „Mein Herr!"
Vesputo hätte ihn am liebsten getreten wie einen lästigen Köter. „Was gibt es?"
Beron sah sich vorsichtig um. „Privatpost, mein Herr." Sie gingen in die Ratsstube und dort übergab Beron ihm zwei Botschaften. Vesputo las sie, dann setzte er sich hin, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und legte die Füße hoch.
Er ließ Beron ein paar Minuten warten, bis er spürte, dass dieser vor Neugier fast platzte. „Sie ist gefunden worden." „Die Prin..."
Ja. Auf der anderen Seite der Berge, in Desante. Beide Berichte stimmen überein. Ein ruhiges, abgelegenes Dorf auf dem Land", gab Vesputo zufrieden in knappen Worten bekannt.
„Warum haben wir nicht schon früher davon erfahren?" Berons
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