Das Auge der Seherin
das
Schwert", erwiderte Dahmis. „aber dadurch gehört es
doch nicht mir. Würde ich es in der Schlacht einsetzten,
wäre das der Beginn von Unredlichkeit."
„Aber wer außer Euch hätte ein Recht darauf?", fragte
Michal.
„Der Prinz von Bellandra, wo immer er auch sein mag."
,Aber er wird des Mordes an König Kareed beschuldigt", wandt Larseid ein.
„Von Vesputo beschuldigt, der dadurch die Königskrone gewonnen hat", sagte Michal.
„Seit Vesputo versucht hat, mich umbringen zu lassen, habe ich oft an der Schuld des Prinzen von Bellandra gezweifelt", sagte Dahmis. „Der Prinz ist aus Archeld geflohen. Niemand hat je gehört, dass er gestorben ist." „Aber wenn er doch tot ist?", fragte Larseid. „Auch dann hätte ich kein Anrecht auf das Schwert. Das sagt mir mein Herz. Nein, meine Freunde, das Schwert bleibt, wo es ist, verschlossen in einer hässlichen Kiste.“
6. Kapitel
Draußen heulte ein Wintersturm, aber drinnen, in Torinas Hütte, war es gemütlich warm. Die junge Frau kochte sich ihr einfaches Abendessen und aß geistesabwesend. Vom vielen Reiten war sie gesund und stark geworden. Gesund, aber nicht glücklich. Die Briefe im hohlen Baum waren kein Ersatz für Freundschaft. Ihre Kristallkugel gab ihr Einblicke in alle Königreiche, nie jedoch einen Hinweis auf Landen.
Sie lauschte auf das Heulen des Windes. Gedankenverloren blickte sie in die züngelnden Flammen und dachte an früher. Einst war ich leuchtend und lebhaft wie diese Flammen. Jetzt bin ich einsamer als eine Betschwester und in mir ist eine Kälte, als sei das ganze Jahr Winter. Sie starrte auf ihr Schreibpapier. Ein Wort, hatte Dahmis gesagt. Ein Wort und er würde sie holen und unter seinen Schutz stellen.
Torina liebte es, allein auszureiten, ohne Begleitung oder Wachen an ihrer Seite. Justina zu satteln, wann immer sie Lust hatte, so weit zu reiten, wie sie wollte, nach Hause zu kommen, wann es ihr passte, all das war ihr viel wert.
Doch was nützt mir meine Unabhängigkeit, wenn ich nicht frei bin, mein Haar offen zu tragen? Sie krallte die Finger in die Armlehnen ihres Stuhls. Sie hatte sich entschieden. Sie würde das eine Wort schreiben und in Glavenrell leben. Und wenn sie das nächste Mal Dahmis traf, wollte sie ihn bitten, ihr bei der Suche nach Landen zu helfen. Gemeinsam würden sie sicher herausfinden, ob und wo er lebte.
Sogleich begann sie den Brief aufzusetzen. Lieber Cousin,
wie steht es in deinem Dorf? Mir geht es gut, aber das Wetter macht mir zu schaffen und ich würde gern bei dir ein warmes Plätzchen finden. Vineda
Sie rollte den Brief zusammen und verschnürte ihn mit geübten Fingern. Dann nahm sie ihre abgetragene Jacke und öffnete die Tür.
Ein orkanartiger Sturm begrüßte sie und peitschte eisige Nadeln in ihr Gesicht. Torina lachte und machte die Tür wieder zu. Natürlich, sie musste warten, bis der Sturm vorbei war.
Sie hängte die Jacke auf, ihr war warm und sie war glücklich. Morgen würde sie mit Justina durch das Schneetreiben zum hohlen Baum finden. Selbst wenn es bis zum Umzug nach Glavenrell noch ein paar Wochen dauern sollte, es würde geschehen. Leben! Sie hatte Lust zu tanzen. Voller Tatendrang beschloss sie das Beste aus dem schlechten Wetter zu machen und ihre Kristallkugel zu befragen. Vielleicht konnte sie ihrem Brief an den Oberkönig noch eine wichtige Information anfügen.
Torina flocht den langen, feuerroten Zopf auf. Sie genoss es, das Haar offen zu tragen. Dann legte sie einen neuen Scheit ins Feuer.
Sie holte die Kristallkugel hervor und versenkte ihren Blick in ihrer Tiefe. Als Erstes bat sie wieder um ein Bild von Landen. Der eigensinnige Stein zeigte ihr eine Gruppe Männer, die um ein Lagerfeuer saß. Sie spürte, dass es sich um eine Verbrecherbande handelte. Einer der Männer hatte eine riesige Narbe quer über seiner linken Gesichtshälfte, ein anderer war groß wie ein Riese. Sie schauderte. Sollte sich Landen in Gesellschaft solcher Gestalten aufhalten? Ängstlich suchte sie nach ihm, aber er schien nicht dabei zu sein. Dann verblasste das Bild wieder.
Aber das machte nichts. Bald würde der Oberkönig nach ihm suchen.
Sie sah weiter in die Zauberkugel. Diesmal erschienen Vesputo und Dahmis. Der Oberkönig schüttelte Vesputo die Hand. Seine Stimme rauschte in Torinas Kopf wie ein Orkan. „So sind wir jetzt Verbündete. "Und die verhasste Stimme ihres ehemaligen Verlobten: „Ich werde die Bedingungen des Bündnisses achten."
Ungläubig
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